Der Direktor und sein Tierreich

Neunkirchen. Im Büro hockt Norbert Fritsch (53) eine Schönheit zu Füßen, eine ausgestopfte Schnee-Eule. Will man ihm die Hand reichen, muss man übers Eisbär-Fall vor seinem Schreibtisch. Das Arbeitsdomizil des Neunkircher Zoodirektors liegt im ersten Stock eines Holzhauses mitten im Zoogelände, einer eigenwilligen Mischung aus afrikanischer Lodge, Berghütte und Studentenbude

 Füttern, zureden und tätscheln: Norbert Fritsch ist am liebsten draußen bei seinen Tieren unterwegs. Fotos: Iris Maurer

Füttern, zureden und tätscheln: Norbert Fritsch ist am liebsten draußen bei seinen Tieren unterwegs. Fotos: Iris Maurer

Neunkirchen. Im Büro hockt Norbert Fritsch (53) eine Schönheit zu Füßen, eine ausgestopfte Schnee-Eule. Will man ihm die Hand reichen, muss man übers Eisbär-Fall vor seinem Schreibtisch. Das Arbeitsdomizil des Neunkircher Zoodirektors liegt im ersten Stock eines Holzhauses mitten im Zoogelände, einer eigenwilligen Mischung aus afrikanischer Lodge, Berghütte und Studentenbude. Die Atmosphäre schwankt zwischen Globetrotter-Folklore und Jäger-Romantik - urig ist's, kernig, sehr speziell. Wie der, der hier arbeitet, wenn er nicht, was er viel lieber tut, in seinem 15-Hektar-Areal zu Fuß unterwegs ist. Um dabei, als wär's der eigene Garten, die herumwehenden Tempos oder Plastikbecher einzusammeln. Das ist Naturschutz, ernst genommen - und persönlich. Wie es sich für den Ex-Landesbeauftragten für Naturschutz im Saarland gehört. Das Biber-Wiederansiedlungsprojekt geht auf Fritschs Initiative zurück, auch Jungstörche wildert er aus. Fritschs Tierreich darf man nicht verlassen, ohne mit ihm in der Biberhöhle vorbei geschaut zu haben. Dort pennen drei Neuzugänge: "Das sind Kuscheltiere, die sind handaufgezogen", sagt Fritsch. Letzteres - die Gewöhnung an körperliche menschliche Nähe - ist für den Direktor die Voraussetzung dafür, dass er selbst Tiere streichelt oder von Besuchern streicheln lässt.Ansonsten gilt: Nur keinen Stress verursachen, nicht aufdringlich werden. Fritschs Schützlinge sollen sich wohl fühlen. Immerhin: Wenn er bei den Hängebauchschweinen vorbeigeht, tätschelt er denen schon mal das Speckbäuchlein: "Das ist für die Wellness pur, also mach ich's." Fritsch strahlt vor Wonne, wenn er ein Kamel beobachtet, das sich in der Abendsonne auf dem von ihm erfundenen Wüstensandhügel wälzt: "Das Tier hat ein Wohlgefühl, man spürt, es geht ihm hier richtig gut."

Fritsch kennt nicht jedes seiner 400 Tiere mit Namen. Haustier-Verniedlichung mag er nicht: "Wir sind hier kein Zirkus." Wie wahr, eher eine Natur-Warte. Man merkt dem Neunkircher Zoo an, dass der Chef die Jagd kennt. Er lässt Beobachtungsplätze wie Hochsitze bauen und stattet sie mit Strandkörben aus, inszeniert Landschafts-Situationen, in denen der Mensch dem Tier näher rückt, ohne es zu bedrängen. Fritschs Tierreich funktioniert als Ranpirsch-, nicht als Streichelzoo. Dreienhalb Jahre lang arbeitete er als Dozent der Jagdschule Linslerhof in Überherrn, brachte den Jagdschein-Anwärtern Wildbiologie bei.

Das war, bevor er von 1996 an für die Wiesbadener Koellmann-Gruppe Space- und Ocean-Park-Projekte managte und im schnieken Anzug um die Welt jettete: San Francisco, Vancouver, China. In Weltklasse-Hotels schätzte er vor allem eins: exquisite Panoramablicke. "Ich bin ein Augenmensch", sagt er. Und ein Naturbursche aus dem Klischee-Buch für Männlichkeit. Fritsch raucht Marlboro, den Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Isst am liebsten Rumpsteak und mag Bergwandern und Kanufahren. Zum Interview geht's an eine Holzbank im Wald. Wespen werden mit der flachen Hand totgeschlagen.

Auf x naturkundlichen Reisen spielte er den Führer. In Kirgistan beispielsweise ritt er über die Hochsteppe, beobachtete Schneegeier, frühstückte morgens Gedärme-Suppe: "Ich mache gerne Sachen, die ein bisschen anstrengen", sagt Fritsch. "Ich bin kein Typ fürs Fitness-Studio." Aber für den Arbeitsplatz-nahen Swimming-Pool. Das Robbenbecken liegt in unmittelbarer Nähe seines Büros. Im Sommer gönnt sich Fritsch schon mal früh morgens, bevor der Zoo öffnet, ein Bad mit den drei Tieren. Ohne Berührung, um sie nicht noch mehr zu irritieren. Schließlich sei er ein "Störfaktor".

Die Naturliebhaberei begeitet Fritsch seit seiner Eschringer Kindheit. Immer noch lebt er dort. Im Dorf habe man Molche und Blindschleichen gejagt, erzählt er. Sein Elternhaus beschreibt er dank einer "tierverrückten Mutter" als einen "Hund-Katze-Maus-Haushalt" mit Wellensittichen, Goldhamstern, Schildkröten und dem Kaninchen Seppi. Heute hält der Zoo-Chef zu Hause kein einziges Tier mehr. Die Betreuungszeit fehle.

Bereits zum zweiten Mal seit 2001 wurde Fritschs Geschäftsführer-Vertrag verlängert. Auf Grund eines kaum für möglich erachteten Erfolgskurses, den die Neunkircher Einrichtung in seiner, Fritschs Ära, in ein Kopf-an-Kopf-Beliebtheits-Rennen brachte mit dem Saarbrücker Zoo, der jährlich rund 200 000 Besucher zieht. Fritsch schaffte 2010, dank der "Körperwelten"-Schau, sagenhafte 258 000 Besucher. In den 80er Jahren lag die Zahl unter 100 000. Für so viel Zuspruch hat Fritsch viele Ideen umgesetzt: eine Falknerei eingerichtet, ein Elefantenhaus gebaut, Lama-Trekking-Touren angeboten, ein "Wildbienenhotel" installiert.

Momentan wartet er mit Ungeduld auf den Bau eines Raubtier-Geheges. Hat er Favoriten unter seinen Schützlingen? Nein, sagt er und zeigt sich peinlich befragt, als wäre er ein Vater, der keines seiner Kinder verletzen will. Später erzählt er aber doch von "starken, echten Typen", die ihm imponieren. Elefanten seien eben Persönlichkeiten. Die alte Dame Judy (55) beispielsweise, die kürzlich starb, habe vorgelebt, was "Würde und Souveränität" im Alter bedeuten, meint er. Fritschs tierische Liebes-Erfahrung lautet: Je mehr man über Tiere wisse, je intensiver man sich mit ihnen beschäftige, umso interessanter würden sie und desto enger wüchsen sie einem ans Herz. Also ab in den Zoo. Dort wartet eine Love-Story. "Ich mache gerne Sachen, die ein bisschen anstrengen. Ich bin

kein Typ

fürs Fitness- Studio."

Zoodirektor

Norbert Fritsch

Zur Person

Norbert Fritsch wurde im Saarbrücker Stadtteil Eschringen geboren und hat in seiner Heimatstadt Biologie, Geologie und Geographie studiert. Seine Promotion schrieb der heute 53-Jährige über ein Waldforschungprojekt in Rheinland-Pfalz. Es folgte eine befristete Stelle in der Stadtplanung Neunkirchen. Danach wechselte er als Dozent an die Jagdschule Linslerhof (Überherrn), europäisches Bildungszentrum für Jagd und Natur. Es folgte eine fünfjährige Beschäftigung in Wiesbaden als Projektleiter für Themenparks bei der Firma Koellmann.

 Der Neunkircher Zoodirektor in seinem eigenwilligen Büro im ersten Stock eines Holzhauses mitten auf dem Zoogelände.

Der Neunkircher Zoodirektor in seinem eigenwilligen Büro im ersten Stock eines Holzhauses mitten auf dem Zoogelände.

Seit dem Jahr 2001 ist Fritsch Geschäftsführer im Neunkircher Zoo. Der Etat liegt bei rund 1,5 Millionen Euro. Fritsch hat 35 Mitarbeiter. Seit 1976 engagiert sich Fritsch im Naturschutzbund. ce

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