Der Diktator wankt noch nicht

Paris. Der Druck auf Tunesiens Staatsoberhaupt Zine El Abidine Ben Ali wächst. Immer neue Demonstrationen und gewaltsame Ausschreitungen mit Toten erschüttern das Land, auch wenn der Präsident aufgrund der internationalen Kritik inzwischen versöhnlichere Töne angeschlagen hat

 Ein Großteil der tunesischen Bevölkerung teilt die Kritik an Präsident Ben Ali. Foto: dpa

Ein Großteil der tunesischen Bevölkerung teilt die Kritik an Präsident Ben Ali. Foto: dpa

Paris. Der Druck auf Tunesiens Staatsoberhaupt Zine El Abidine Ben Ali wächst. Immer neue Demonstrationen und gewaltsame Ausschreitungen mit Toten erschüttern das Land, auch wenn der Präsident aufgrund der internationalen Kritik inzwischen versöhnlichere Töne angeschlagen hat. Er habe angeordnet, dass die Sicherheitskräfte nicht mehr gewaltsam gegen regierungskritische Demonstranten vorgehen dürften, sagte Ben Ali in einer Ansprache an die Nation.

Erfolg der Einschüchterungen

Ein Großteil der Bevölkerung teilt die Kritik der Demonstranten an der Arbeitslosigkeit im Land und der Vetternwirtschaft des seit 1987 regierenden Präsidenten. Die Staatsführung gerät bislang aber nicht ins Wanken. Denn die seit Jahren unterdrückte Opposition ist nicht in der Lage, Alternativen zu Ben Ali (74) aufzuzeigen. Und wenn die Proteste tatsächlich zu einem Sturz von Ben Ali führen sollten, wäre selbst ein Thronfolger aus dem eigenen Clan kaum mehr vorstellbar. Habgier, Korruption und Vetternwirtschaft - das sind die Begriffe, die mit "La Famille" (Die Familie) in Verbindung gebracht werden. Auch die islamistischen Kräfte im Land gelten bislang noch als zu schwach, als dass sie entscheidend in die Geschehnisse im Land eingreifen könnten.

Selbst langjährige politische Beobachter müssen passen, wenn sie nach der weiteren Entwicklung der Situation gefragt werden. "Es ist nicht erkennbar, wer gegebenenfalls als Nachfolger auftreten könnte. Es drängt sich niemand auf", sagt Ralf Melzer, der in Tunis die Vertretung der Friedrich-Ebert-Stiftung leitet. Im keinem der politischen Lagern sei bisher ein Nachfolger zu finden. "Die Oppositionsparteien sind personell und strukturell nicht in der Lage, sich an die Spitze der Proteste zu setzen", so der 43-Jährige. Zumindest in dieser Hinsicht hatten die Einschüchterungen und Repressionen des Staatschefs Erfolg.

Im Präsidentenlager gab es schon oft Gerüchte über mögliche Thronfolger aus den eigenen Reihen. Präsidentengattin Leila Ben Ali wurden Ambitionen nachgesagt, ebenso Ex-Außenminister Abdelwaheb Abdallah oder dem schwerreichen Geschäftsmann und Schwiegersohn Mohamed Sakhr El Materi. Bekennen wollte sich Ben Ali allerdings nie zu einem der möglichen Kandidaten. Gestern räumte er wenigstens ein, für eine weitere Amtszeit nach 2014 nicht mehr zu kandidieren.

Ob Ben Ali die Situation noch einmal in den Griff bekommt, ist fraglich. Keine seiner angekündigten Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich die Lage beruhigt. Weder das Versprechen, in zwei Jahren 300 000 Arbeitsplätze zu schaffen, noch die Ankündigung, festgenommene Demonstranten freizulassen. Auch die nächtliche Ausgangssperre wurde nicht befolgt.

Deutliche Signale nötig

Der Präsident müsse nun eindeutige Signale senden: "Ich habe verstanden, dass ihr nicht auf die Straßen geht, weil ihr dem Land schaden wollt, sondern weil ihr für eine Verbesserung eures Lebens demonstriert" - ein solcher Satz könne vielleicht etwas Ruhe bringen, so Melzer. Mindestens 66 Tote dokumentiert eine Menschenrechtsorganisation seit Beginn der Unruhen Mitte Dezember. In der Nacht zu gestern wurden erneut etliche Menschen von Sicherheitskräften erschossen.

Auf schnelle Erfolge bei der Bekämpfung der Ursachen der Unzufriedenheit kann Ben Ali nicht hoffen. An den Universitäten wurden in den vergangenen Jahren hunderttausende junge Menschen ausgebildet. Doch Jobs für Hochschulabsolventen sind Mangelware. Die Arbeitslosenquote in dieser Gruppe wird auf über 30 Prozent geschätzt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort