Der Chef im Ring und seine Mannschaft

Ein Parteivorsitzender im Zenit seiner Macht: Mit breitem Lächeln steht Sigmar Gabriel am Sonntagmittag neben der Büste seines großen Vorbildes Willy Brandt in der Berliner SPD-Zentrale. Die Kulisse für seinen Auftritt bildet eine Gruppe weiterer Spitzengenossen, die der 54-Jährige gönnerhaft in ihrer künftigen Verwendung vorstellt.



Gleich links von ihm steht der bisherige Fraktionsvorsitzende und Außenamtschef in spe, Frank-Walter Steinmeier, der von Gabriel als der "wohl profilierteste" Mann gepriesen wird. Dabei wollte Steinmeier eigentlich bleiben, was er war. Doch für die Außenpolitik hat die SPD in der Tat keinen Besseren. Bei Barbara Hendricks, der bisherigen Partei-Schatzmeisterin und neuen Umweltministerin, spielt die Kompetenz indes weniger eine Rolle, wohl aber ihre landsmannschaftliche Herkunft. Die Genossen in Nordrhein-Westfalen hatten entsprechend Druck gemacht. Dann ist da noch der saarländische SPD-Chef Heiko Maas, der künftig dem Justizressort vorsteht. Er und Gabriel sind enge Vertraute. Und auch Aydan Özoguz steht mit in der Reihe. Sie wird neue Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration. Damit nimmt erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau mit türkischen Wurzeln am Kabinettstisch Platz.

Fragen der Journalisten an die einzelnen Kabinettskollegen über ihre konkreten Vorhaben bügelt Gabriel persönlich ab. Dafür sei immer noch Zeit, sagt er. Nur, dass er die Energiewende "bezahlbar" halten will, verrät er schon mal als künftiger Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Kein Zweifel, Gabriel ist der Chef im Ring.

Schon am Vortag hat die SPD für ihn die große Bühne bereitet. Kurz, bevor das klare Basis-Votum für Schwarz-Rot am Samstagnachmittag im alten Postbahnhof von Berlin verkündet wird, klatschen sich die 400 Helfer der Auszählung hinter einem provisorisch aufgebauten Podium in einen regelrechten Rausch. Viele tragen eigens angefertigte Sticker mit der Aufschrift "Ich war dabei". Seit dem frühen Morgen hatten sie die Stimmkarten in Kisten sortiert. Am Ende waren die "Ja"-Behälter am besten gefüllt. Schon da herrschte faktisch Klarheit über den Ausgang der Aktion.

Als Gabriel im Anmarsch ist, bildet die Menge eine schmale Gasse, die der Vorsitzende mit stolz geschwellter Brust durchschreitet. Ein Triumphzug. Er lobt die Helfer und seine Partei und ist immer wieder Tränen der Rührung nah. Als schließlich offiziell verkündet wird, dass sich über drei Viertel der Parteimitglieder an der Abstimmung beteiligt haben, von denen wiederum fast ebenso viele mit "Ja" votierten, bricht ein ohrenbetäubender Jubel aus. Ganz so, als wäre das schwache Abschneiden der Partei bei der Bundestagswahl ein Irrtum der Geschichte gewesen.

Schon bei dieser Gelegenheit hat sich hinter Gabriel auch ein Teil der künftigen Minister aufgestellt. Alle strahlen, nur Thomas Oppermann lächelt etwas bemüht. Der Parlamentarische Geschäftsführer wollte eigentlich Innenminister werden. Doch da war die Union vor. Nun soll er zum Fraktionschef gewählt werden. Bei dieser Personalie schien sich zunächst ein Konflikt anzubahnen. Oppermann gilt als Mensch mit übersteigertem Selbstbewusstsein. Obendrein haderten die SPD-Frauen damit, dass die drei Schlüsselposten Parteivorsitz, Fraktionsvorsitz und Generalsekretär am Ende nur Männersache wären. Doch auch dafür hat Gabriel eine Lösung gefunden. Die bisherige Funktion Oppermanns soll die hessische Parteilinke Christine Lambrecht übernehmen. Und der "Generalsposten", den eigentlich Schleswig-Holsteins Parteichef Ralf Stegner erben sollte, weil Amtsinhaberin Andrea Nahles Arbeitsministerin wird, soll ebenfalls mit einer noch zu findenden Frau besetzt werden. Im Gespräch ist die Baden-Württembergerin Ute Vogt. Im Gegenzug beschließt der Vorstand am Sonntagvormittag, für Stegner einen zusätzlichen Posten als Vize-Parteichef zu schaffen. Er glaube, dass die SPD mit ihrem Personal "ausgezeichnet" auf die große Koalition vorbereitet ist, gibt Gabriel den Journalisten noch mit auf den Weg. Jedenfalls sind alle versorgt.

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