Der Champagner wird grün

Ambonnay · Die ostfranzösische Champagne setzt beim Weinbau auf Nachhaltigkeit. Inzwischen gibt es sogar ein eigenes Zertifikat für umweltbewusste Champagnerhäuser. Echten Bio-Anbau betreibt allerdings nur eine ganz kleine Gruppe von Winzern.

Zitrone, Grapefuit und Orange: die fruchtigen Aromaöle setzt Eric Rodez nicht etwa für das eigene Wohlbefinden ein, sondern für das seiner Weinstöcke. Der Champagner-Winzer ist Bio-Bauer aus Leidenschaft. "Man muss lernen, anders zu leben", sagt der Franzose mit der markanten roten Brille. Der 55-Jährige durchlief erst einen schmerzlichen Prozess, bevor er sich zum ökologischen Landbau bekehrte. Denn eine schlechte Lese vermasselte sein erstes Jahr auf dem kleinen Familienweingut in Ambonnay südlich von Reims, rund 240 Kilometer von Saarbrücken entfernt. "Ich hatte Glück, dass diese Ohrfeige mich aufweckte." Der eigentlich für den konventionellen Anbau ausgebildete Winzer informierte sich daraufhin im Elsass über nachhaltige Produktion. Seit 2002 betreibt er selbst nachhaltige Landwirtschaft, seit 2008 sogar mit Bio-Zertifikat.

Das schreibt er aber nicht auf die 45 000 Flaschen, die er jedes Jahr auf den gut sechs Hektar seines Familienbetriebs produziert. "Ich will, dass man zu mir kommt wegen der Musik meiner Weine und nicht wegen des Bio-Siegels", bemerkt der eigenwillige Kleinunternehmer, der seinen Champagner gerne mit einer Komposition vergleicht. Er selbst ist durchaus kritisch, was Bio-Weine angeht: "Drei Viertel davon schmecken nicht." Wein dürfe eben nicht "nach Bauernhof riechen" - und Champagner erst recht nicht.

Mit seinem eigenen Bio-Champagner hat Rodez so viel Erfolg, dass die Nachfrage das Angebot übersteigt. Vor allem vor den Feiertagen und zu Silvester läuft es rund: die Champagnerhäuser machen mehr als die Hälfte ihres Geschäfts in den letzten vier Monaten des Jahres. Als Bio-Winzer ist Rodez , gleichzeitig parteiloser Bürgermeister von Ambonnay , in der Champagne allerdings ein Exot. Die Anbaufläche für Bio-Champagner hat sich zwar innerhalb von zehn Jahren verfünffacht, doch nur 1,3 Prozent der insgesamt 33 500 Hektar werden nach den strengen Öko-Standards bearbeitet. Damit liegt die Champagne deutlich hinter den anderen Weinbaugebieten Frankreichs, wo die "Bio"-Fläche immerhin schon acht Prozent ausmacht. Allerdings ist auch in der ostfranzösischen Region mit ihren 15 000 Champagner-Winzern eine Trend wende zu mehr Umweltbewusstsein zu erkennen. Seit einigen Monaten gibt es von der Vereinigung der Champagnerhäuser und -winzer CIVC ein Zertifikat für "nachhaltigen Anbau". Das bekommen nur die Unternehmen, die einen langen Katalog von 125 Umweltauflagen erfüllen - von der Müllentsorgung bis zum Einsatz von Kupfer als Pflanzenschutzmittel ist dort alles geregelt. Das erste Haus, das die begehrte Urkunde bekam, war im Mai Bollinger.

Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ging in der Champagne seit dem Jahr 2000 ohnehin um 50 Prozent zurück. Die großflächige chemische Unkraut- und Schädlingsvernichtung aus Flugzeugen sei vorbei, versichert der Umweltbeauftragte des CIVC, Arnaud Descôtes. Stattdessen hängen an vielen Reben kleine rote Plastikanhänger, so genannte Diffusoren. Sie senden Sexualduftstoffe aus, die die Männchen verwirren und so eine Fortpflanzung der schädlichen Schmetterlinge verhindern. Um den wertvollen, kreidehaltigen Boden zu schonen, der dem Champagner seinen besonderen Geschmack gibt, werden die zugelassenen Düngemittel genau überwacht. Kompost ist auf den Weinbergen ebenso verboten wie Klärschlamm. Schließlich will die Champagne 2015 Unesco-Kulturerbe werden.

Auch auf ihren Kohlendioxid-Ausstoß achten die Champagnerhäuser inzwischen. So machte zum Beispiel die Champagnerflasche 2011 eine "Diät" und wurde um 65 Gramm leichter. "Sie ist dadurch noch genauso widerstandsfähig", versichert Descôtes. Immerhin 8000 Tonnen CO wurden so jährlich eingespart - das entspricht dem Ausstoß von 4000 Autos. Die Champagne tut gut daran, sich am Kampf gegen den Klimawandel zu beteiligen. Denn die empfindlichen Trauben leiden auch unter dem Temperaturanstieg: "Bei einer Erderwärmung um fünf Grad gibt es auch keinen Champagner mehr", bemerkt Descôtes trocken.

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Etwa 33 500 Hektar Fläche umfasst das Gebiet, in dem Trauben für den Champagner angebaut werden dürfen. Sie ist vollständig bestockt. Für die Herstellung von Champagner werden vornehmlich drei Rebsorten verwendet: die weiße Rebsorte Chardonnay sowie die roten Rebsorten Pinot Noir (Spätburgunder) und Pinot Meunier (Müllerrebe oder Schwarzriesling ). red

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