"Der Bürgerkrieg hat niemals aufgehört" Streit um Sklaverei trieb Amerika in den Bürgerkrieg

Charleston. Nichts ist "vom Winde verweht" in Charleston, der Perle in South Carolina. Schon gar nicht die Gefühle, die in der einstmals größten Stadt der Südstaaten vor 150 Jahren überkochten, als rebellische Milizen am 12

Charleston. Nichts ist "vom Winde verweht" in Charleston, der Perle in South Carolina. Schon gar nicht die Gefühle, die in der einstmals größten Stadt der Südstaaten vor 150 Jahren überkochten, als rebellische Milizen am 12. April 1861 die Truppen der amerikanischen Bundesregierung in Fort Sumter unter Beschuss nahmen: Der Beginn des blutigen Bürgerkriegs, bei dem mehr Amerikaner ums Leben kamen als in allen anderen Kriegen zusammen. "Wir begeben uns auf eine vier Jahre lange Reise durch ein Tretminenfeld", beschreibt Michael Allen vom National Park Service, der für die Festungsanlagen im Hafen von Charleston zuständig ist, die brenzlige Aufgabe, den richtigen Umgang mit diesem traumatischen Teil der Geschichte zu finden. Ein Gedenkreigen, der sich von den ersten Schüssen auf Fort Sumter über die epischen Schlachten von Manassas, Antietam und Gettysburg bis hin zur Kapitulation der Südstaaten am Pfingsttag 1865 in Appomattox spannt.Welches Gedenken angemessen ist, darüber gehen die Ansichten weit auseinander. "Bei einem Krieg mit mehr als 630 000 Toten gibt es sicher nichts zu feiern", findet Joe Riley, seit 1975 Bürgermeister von Charleston. Er spricht von "der besonderen Verantwortung", die der Ort hat. "Wir wollen die Ursachen und Ereignisse, die zum Krieg führten, in ihrer Fülle erkunden." Was im Süden soviel heißt wie dem Thema Sklaverei nicht aus dem Weg zu gehen. Anders im Konföderierten-Museum von Charleston. Seit 1899 wacht man hier über das Erbe der Bürgerkriegs-Veteranen. Zu den Erinnerungsstücken gehören die erste gezogene Kanone der USA, eine Büste des Südstaaten-Generals Robert Lee, die Kopie des "Charleston Mercury", der am 20. Dezember 1860 in einem Extra-Blatt die Abspaltung South Carolinas mit den Worten "Die Union ist aufgelöst" bekanntgab. Und die original Rebellenflagge, die Milizen am 14. April 1861 nach der Kapitulation der Bundestruppen auf Fort Sumter hissten. Nur eines findet sich nicht in der Sammlung: Ein einziger Hinweis auf den blühenden Sklavenhandel, der South Carolina zum drittreichsten Staat der USA machte. "Es gibt viele Leute, die so tun, als ob es die Sklaverei nie gegeben habe", kritisiert Professor Walter Edgar von der University of South Carolina das Verdrängen dieser hässlichen Tatsache. Obwohl unter Wissenschaftlern Einigkeit darüber besteht, dass es den elf abtrünnigen Staaten in erster Linie um den Erhalt der Sklaverei ging. "All diese prachtvollen Bauten entstanden auf dem Rücken von Sklaven", meint Edgar zu den romantisch verklärten Schätzen des Südens. Zu Beginn des Bürgerkriegs stellten die Schwarzen mit 60 Prozent die Mehrheit der rund 700 000 Einwohner South Carolinas. Jeder vierte Sklave erreichte die USA durch den Hafen von Charleston.

In keinem anderen Bundesstaat war die Sklaverei so in den Alltag verwoben wie hier. "Der arme Weiße, der für die Konföderierten kämpfte, ist ein Mythos", weist Historiker Edgar die Behauptung zurück, die Rebellen hätten bloß "die Lebensweise des Südens" verteidigt. "45 Prozent der Freiwilligen in South Carolina lebten mit Familien, die Sklaven besaßen." Womit sich erklärt, warum der Umgang mit der Geschichte bis heute so schwierig bleibt. "Der Bürgerkrieg hat niemals aufgehört", meint Reverend Joseph Darby (Foto: Spang), der in Charleston eine "African Methodist Episcopalian"-Kirche führt. "Wir haben seit 150 Jahren einen Waffenstillstand." Sichtbarer Ausdruck bleibt für ihn die Konföderierten-Flagge, die neben dem Staatshaus von South Carolina in Columbia weht. Das Weiße Haus holte Darbys Meinung ein, ob Barack Obama zur Gedenkveranstaltung nach Fort Sumter kommen solle. "Ich wäre enttäuscht, wenn er käme", riet der Prediger ab, der Parallelen zwischen der Abneigung des Südens gegen Abraham Lincoln und Obama sieht. "Die Rhetorik ist fast dieselbe. Es gibt hier viele, die den Präsidenten einfach nur hassen." Ironischerweise ist der Süden heute fest in republikanischer Hand. Darby spricht von einem "höflichem Rassismus". Dieser manifestierte sich für ihn beim "Sezessions-Ball" am 20. Dezember, an dem führende Konservative teilnahmen. Während drinnen in Frack und Reifrock gekleidete Herrschaften die Abspaltung vor 150 Jahren begossen, demonstrierten draußen Bürgerrechtler mit einer Lichterkette.

Wie schwierig der Umgang mit dem Erbe des Bürgerkrieges ist, erfuhr auch Nationalpark-Chef Allen. Den Vorschlag eines Feuerwerks über den vier Orten, von denen aus Fort Sumter angegriffen wurde, konnte er eben noch abwenden. Dafür droht sein Gedenkprogramm im Kanonendonner privater Laienspieler unterzugehen. Zu den Rollenspielern gehört auch Alexander Querengässer aus Dresden. Ein befreundeter Engländer vermittelte den Kontakt zu der "Washington Light Infanterie" in Charleston, die Querengässer und sechs andere Europäer willkommen heißt. Von dem Ausmaß der anhaltenden Kontroverse über die Ursachen des Konflikts hat der Student nur eine vage Vorstellung: "Ich lasse mich überraschen." Der junge Mann dürfte sich wundern. Nichts ist "vom Winde verweht" in Charleston. Oder um es in den Worten des Literaten und Nobelpreisträgers William Faulkner zu sagen: "Die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen."New York. Mit der Kanonade von Fort Sumter am 12. April 1861 hatte das begonnen, was US-Präsident Abraham Lincoln und andere besonnene Politiker hatten verhindern wollen: Der Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd der bis dahin vereinigten Staaten. Die Frage der Sklaverei hatte die USA seit Beginn des 19. Jahrhunderts gespalten. Das Wirtschaftssystem des Südens - der Anbau von Baumwolle, Zucker und Tabak - beruhte auf der Beschäftigung billigster Arbeitskraft. Der Norden setzte auf die Industrialisierung.

Der Zeitgeist stand gegen die Sklaverei, nachdem sie lange ohne Skrupel praktiziert worden war. Nach einer Reihe von gescheiterten Kompromiss-Versuchen, die Sklaverei zu beschränken, wurde die Stimmung immer feindseliger. Als Abraham Lincoln als Kandidat der neuen die Sklaverei ablehnenden Partei der Republikaner zum Präsidenten gewählt wurde, betrachtete dies der Süden als Kampfansage. Noch vor seinem Amtsantritt am 4. März 1861 kam die Spaltung. Als erster Staat beschloss South Carolina an Weihnachten 1860 die "Sezession", den Austritt aus der Union. Georgia, Alabama, Florida, Missisippi, Louisianna und Texas folgten und gründeten im Februar 1861 die "Konföderierten Staaten von Amerika".

Ein Bürgerkrieg wäre trotzdem vermeidbar gewesen. Auf beiden Seiten gab es besonnene Politiker. Aber die Fanatiker setzten sich durch. So kam es zum Krieg, der über 600 000 Tote forderte. Fast alle Schlachten fanden in den Südstaaten statt. Zwei Prozent der US-Bürger starben in dem Krieg. In Cold Harbor fielen in nur 20 Minuten 7000 Männer. Die hygienischen Zustände waren eine Katastrophe. Doppelt so viele Soldaten wie auf dem Schlachtfeld starben an Krankheiten. In den Lazaretten wurden im Akkord Arme und Beine abgesägt.

Letztlich hatte der Norden den längeren Atem, und die USA hatten nach dem vier Jahre andauernden Krieg die Kraft, das Land bis zum Pazifik zu erschließen und erst eine Wirtschafts- und dann eine Weltmacht zu werden. dpa

"Wir haben seit 150 Jahren einen Waffen-

stillstand."

Joseph Darby

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