Der bittere Abschied des Oskar L.

Saarbrücken/Berlin. Der "Napoleon von der Saar" ist immer für eine Überraschung gut: Oskar Lafontaine hat mit seinem Verzicht auf eine Kandidatur für den Vorsitz der Linken für einen neuen Paukenschlag gesorgt. Damit macht der 68-Jährige den Weg frei für einen Neuanfang, sorgt aber auch für gehörigen Wirbel

Saarbrücken/Berlin. Der "Napoleon von der Saar" ist immer für eine Überraschung gut: Oskar Lafontaine hat mit seinem Verzicht auf eine Kandidatur für den Vorsitz der Linken für einen neuen Paukenschlag gesorgt. Damit macht der 68-Jährige den Weg frei für einen Neuanfang, sorgt aber auch für gehörigen Wirbel.Bei der Landtagswahl 2009 im Saarland holten die Linken mit "Oskar" an der Spitze über 21 Prozent, 2012 reichte es noch für 16,1 Prozent - Fraktionschef Lafontaine hatte mehr erhofft. Danach hielt er sich bedeckt, ob er wieder ein Spitzenamt in Berlin übernehmen will. Nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen machte er klar, dass er wieder oben mitspielen möchte - und knüpfte das an Bedingungen.

Doch er überreizte. Im Machtkampf mit Fraktionsvize Dietmar Bartsch hat er sich überschätzt und muss sich nun geschlagen geben. Dabei war die Ausgangslage für Lafontaine gar nicht schlecht. Der Gründungsvater der gesamtdeutschen Linken gilt immer noch als Zugpferd. In seiner Amtszeit als Parteichef zwischen 2007 und 2009 führte er die Linke auf den Höhepunkt des Erfolges. Als er aus gesundheitlichen Gründen sein Amt abgab, hatte die Partei bei der Bundestagswahl gerade das Rekordergebnis von 11,9 Prozent eingefahren.

Im Ringen um den Parteivorsitz war auch die Riege seiner Unterstützer groß und prominent. Der amtierende Vorsitzende Klaus Ernst schlug ihn für den Posten vor, Fraktionschef Gregor Gysi stand fest hinter ihm, und in den westdeutschen Landesverbänden hatte er breiten Rückhalt. Intern gingen die meisten davon aus, dass er bei einer Kampfkandidatur knapp gegen Bartsch gewinnen würde, dessen Unterstützer vor allem im Osten zu finden sind.

Lafontaine wollte aber zu viel. Er wollte den Parteivorsitz auf dem Silbertablett - ohne Kampfabstimmung. "Das wäre nicht unbedingt der krönende Abschluss meiner Karriere", erklärte er. Entscheidend für seinen Rückzug war aber, dass er dem anderen Lager keinen Schritt entgegenkommen wollte. Einen Kompromissvorschlag Gysis, nach dem er Vorsitzender und Bartsch Bundesgeschäftsführer werden sollte, schmetterte Lafontaine ab. Gysi wechselte daraufhin das Lager und sagte Bartsch seine Unterstützung zu. Das war's dann. Auch für Lafontaines bundespolitische Karriere, die schillernd war wie kaum eine andere: Saarbrücker Oberbürgermeister, Saar-Ministerpräsident, SPD-Chef, Kanzlerkandidat, Bundesfinanzminister, dann der spektakuläre Aufbau der Linkspartei.

Besonders bitter für Lafontaine dürfte sein, dass er sich ausgerechnet Bartsch geschlagen geben muss. Vor gut zwei Jahren hatte der Saarländer als Parteichef seinen Bundesgeschäftsführer zum Rücktritt gedrängt, weil er eine gezielte Intrige witterte. Das Verhältnis der beiden hat sich seither nicht wieder normalisiert.

Nun scheint der Weg für Bartsch frei zu sein, der als Hoffnungsträger der ostdeutschen Reformer gilt. Der 54-Jährige will linke Dogmen einebnen, die nach der Fusion von PDS und WASG wieder Thema sind, und die Linke im gesamtdeutschen Maßstab für eine Kooperation mit der SPD öffnen - so wie es im Osten seit Jahren Praxis ist. Für die radikalen Linken, die auf Lafontaine und damit einen harten Oppositionskurs setzen, ist Bartsch genau deshalb zur Hassfigur geworden.

Meinung

Der Gescheiterte von der Saar

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Immerhin, Oskar Lafontaine hat offenbar begriffen, dass er die Linke nicht mehr befrieden kann. In den letzten Tagen hatten sich die Fronten im Streit mit Dietmar Bartsch um den Parteivorsitz so verhärtet, dass auch der vermeintliche Heilsbringer von der Saar zum Problem geworden war. Selbst im Westen, bis dato immer eine sichere Bank für "Oskar", regte sich Kritik am selbstherrlichen Stil des Patriarchen. Lafontaines Zeit in der Bundespartei ist vorbei. Welche Zeit nun für die Linke anbricht, steht in den Sternen. Dass sich die Linke jetzt in einer so vertrackten Lage befindet, geht allerdings weniger auf das Konto von Bartsch, dem in den Augen vieler West-Genossen nun das Image des Königsmörders anhaftet. Lafontaine hat die Linke viel zu lange über seine persönlichen Pläne im Unklaren gelassen. Das hat die Führungsdiskussion erst richtig angeheizt und der Partei enorm geschadet. So könnte der einstige Erfolgsgarant der Linken nun zu ihrem Sargnagel werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Altmaier löst Röttgen ab Der Bundespräsident schafft, was die Kanzlerin nicht vermochte oder nicht wollte: einen würdevollen Abschied für Umweltminister Röttgen. Zurück bleibt jede Menge Unbehagen über die Umstände des Rauswurfes - und ein Berg an Aufgabe
Altmaier löst Röttgen ab Der Bundespräsident schafft, was die Kanzlerin nicht vermochte oder nicht wollte: einen würdevollen Abschied für Umweltminister Röttgen. Zurück bleibt jede Menge Unbehagen über die Umstände des Rauswurfes - und ein Berg an Aufgabe