Der Abstieg des Billigheimers

Kirkel · „20 Prozent auf alles“ – der aggressive Werbespruch läutete das Ende der Baumarktkette Praktiker ein. Im Wettbewerb konnte der Konzern mit der Billigstrategie nicht bestehen.

Er war die Keimzelle, aus der Praktiker Ende der 70er Jahre entstand: der Heimwerker-Markt Batiself, dessen Verkauf der kriselnden Baumarktkette jetzt noch einmal etwas Luft verschaffen sollte. 1978 im luxemburgischen Foetz gegründet, hat das Unternehmen bereits 1979 unter dem Namen Praktiker erste Märkte in Deutschland eröffnet. Lange kann Praktiker mit seinem Discount-Konzept Erfolgsgeschichte schreiben, bis hin zum Börsengang im Jahr 1995. Doch mehr und mehr muss die Kette sich auf dem überbesetzten Markt in Deutschland gegen harte Konkurrenten wie Obi, Bauhaus und Globus behaupten. Während die Konkurrenz zunehmend auf Qualität setzt, baut Praktiker auf eine aggressive Strategie. "20 Prozent auf alles - außer Tiernahrung", prägt seit Jahren das Praktiker-Bild. Durch die häufigen Rabattaktionen verprellt Praktiker aber die Kunden, die zum regulären Preis kaufen.

Folge: Die Umsätze gehen zurück, die Gewinne brechen ein. Während der Konzern 2008 noch 4,4 Millionen Euro Gewinn verbucht, stehen für 2009 fast zehn Millionen Minus unter dem Strich, bei sinkenden Umsätzen. Vorstandschef Wolfgang Werner verordnet dem Konzern die Strategie "Praktiker 2013", er will nun weg vom Billig-Image. Doch die Marke ist beschädigt, ohne Rabatt kommen keine Kunden mehr. Auch 2010 brechen die Umsätze weiter ein, trotz operativ schwarzer Zahlen muss der Konzern wegen der Umstrukturierung ein Minus von über 30 Millionen Euro verdauen. Werner, stark angeschlagen und zusätzlich wegen einer wenig zielführenden Werbekampagne mit Boris Becker unter Beschuss, wirft nach einem desaströsen zweiten Quartal das Handtuch.

Das dramatische Jahresergebnis muss er nicht mehr präsentieren: 2011 macht Praktiker über eine halbe Milliarde Euro Verlust.

Fortan regieren bei Praktiker Sanierer und Berater. Für 5000 Euro Tageshonorar kündigt Thomas Fox eine Restrukturierung an. Er verlegt die Zentrale von Kirkel nach Hamburg, will unrentable Märkte schließen, muss den Vorstandsposten aber nach knapp einem Jahr wieder abgeben. Trotz aller Anstrengungen bleiben die Verluste dramatisch: 2012 stehen fast 190 Millionen Minus in der Bilanz. 30 Millionen Euro davon sind allein Beraterhonorare.

Die Kehrtwende, ein Markenwechsel zu Max Bahr, kommt zu spät. Trotz einer Kapitalerhöhung und umfassender Kreditlinien reicht das Geld nicht aus. Weil der Verkauf der Keimzelle scheitert, muss Praktiker nun Insolvenz anmelden.

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