Den Deutschen ist um ihre Zukunft nicht bange

Hamburg. Den Deutschen ist um ihre Zukunft nicht bange. Das ist zumindest die Einschätzung des Chefs der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen, Horst W. Opaschowski. "Die geradezu bleierne Zukunftsangst der letzten Jahre, 'The German Angst', weicht einer neuen Zukunftshoffnung", prophezeit er

Hamburg. Den Deutschen ist um ihre Zukunft nicht bange. Das ist zumindest die Einschätzung des Chefs der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen, Horst W. Opaschowski. "Die geradezu bleierne Zukunftsangst der letzten Jahre, 'The German Angst', weicht einer neuen Zukunftshoffnung", prophezeit er. Bis zum Jahr 2030 wandelten sich das Profil der Gesellschaft und die Lebenssituation der Menschen grundlegend. Trotz aktueller Konjunktursorgen bleibe der persönliche Lebensoptimismus der Bundesbürger ungebrochen, lautete Opaschowskis Fazit zur Vorstellung einer Repräsentativstudie gestern in Hamburg.Nach "Generation X", "Generation Golf" und dem vor allem von jungen Leuten empfundenen negativen Lebensgefühl der "Generation Praktikum" sagt Opaschowski nun das fast rosige Wunsch- und Leitbild einer "Generation V" voraus, bestimmt von Vertrauen, Verantwortung, Verlässlichkeit. Die Bürger wollten nicht schicksalhaft abwarten - mit einer Art "Packen wir's an"-Mentalität gestalteten sie vielmehr ihre Zukunft selbst.Im Ergebnis zeichnen sich Opaschowski zufolge bis 2030 die Konturen einer "doppelten Leistungsgesellschaft" ab, einer Dienstleistungsgesellschaft, die mehr Geld koste, und einer Hilfeleistungsgesellschaft, die Geld sparen helfe und das Zeitalter der Ich-Bezogenheit ablöse. Dabei verlaufe die Veränderung vor allem auf drei Gebieten: bei den Jungen, den Frauen und den Älteren.Die Jugend werde in einer regelrechten "Leistungsexplosion" ihre Anstrengungen verdoppeln. Leistungsorientierung nehme rasant zu, 56 Prozent bekannten sich 2007 dazu (1992: 32 Prozent). "Lust ohne Leistung" findet immer weniger Anhänger. Und 2030 könne diese Leistungsexplosion der Jugend einen Höhepunkt erreichen. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) suchten dann ihren Lebenssinn in der Arbeitsleistung, doppelt so viele wie 1986. In 20 Jahren dominierten zudem Frauen die Arbeitswelt. 2030 könnten die Männer im Erwerbsprozess erstmals zur Minderheit werden, wenn die Qualifizierungsoffensive der Frauen weiter anhalte. Bereits heute seien über 50 Prozent der Gymnasial- und Hochschulabsolventen weiblich. In 20 Jahren seien Frauen dann in Führungspositionen ebenso erfolgreich und anerkannt wie Männer.Zur Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie komme die Frage der Vereinbarkeit von Frauen- und Männerrollen. Besonders bei der bislang überwiegend männlichen Hauptrolle des Versorgers in der Familie sei ein Rollenwechsel angesagt. "Shanghaier Verhältnisse kommen auf uns zu", sagte Opaschowski. Schon heute würden in der chinesischen Wirtschaftsmetropole mehr Unternehmen von Frauen als von Männern geführt, jede zweite Firma gehöre einer Frau. Das neue Lebensideal der Deutschen sei zudem nicht mehr die Jugendzeit, sondern die Lebensmitte um 40. Und für ältere Arbeitnehmer heiße es "Re-Start mit 50", da laut Umfrage fast drei Viertel der Bevölkerung freiwillig über 65 hinaus arbeiten und ihre Rente aufstocken wollen, statt über Altersarmut zu klagen: "Die Rente mit 67 ist eine Zwangsverrentung von oben, jetzt entwickelt sich die Gegenbewegung von unten." Wandel bei Ehe und FamiliePolitische Konsequenz: Der beste Weg zur Bekämpfung von Altersarmut sei eine möglichst lange Vollbeschäftigung, weil aus der gesetzlichen Rente allein der gewohnte Lebensstandard nicht mehr gehalten werden könne.Auch bei Ehe und Familie tritt ein gravierender Wandel ein: "Irgendwann hört der Spaß von Freiheit und Unabhängigkeit auf, wenn die Sinnfrage unbeantwortet bleibt. Der Trend zur Individualisierung des Lebens hat seinen Zenit überschritten", ist sich der Forscher sicher. "2030 wird die Familie kein Auslaufmodell sein." Die Menschen rückten enger zusammen, gegenseitige Hilfe und "Freunde in der Not" bildeten wichtige "soziale Konvois". Dabei gelte die Devise "Gut leben statt viel haben". Die Deutschen wollten lieber glücklich (67 Prozent) statt reich (46 Prozent) sein. Angesichts eines sinkenden Lebensstandards und zunehmender Armut melde die Bevölkerung allerdings dringenden politischen Handlungsbedarf an. "Für ihr eigenes Wohl und Wohlbefinden wollen die Bürger schon selber sorgen. Von der Politik aber fordern sie, dass sie die Kernaufgaben des Sozialstaats erfüllt und für die soziale Absicherung von Lebensrisiken Sorge trägt", sagte Opaschowski.

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