Dem Abgrund entgegen

Griechenland trudelt weiter dem Abgrund entgegen: Kurz vor dem nächsten Kontrollbesuch der "Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Athen musste Finanzminister Evangelos Venizelos die nächste Hiobsbotschaft verkünden. Die Rezession ist noch schlimmer als angenommen

Griechenland trudelt weiter dem Abgrund entgegen: Kurz vor dem nächsten Kontrollbesuch der "Troika" aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Athen musste Finanzminister Evangelos Venizelos die nächste Hiobsbotschaft verkünden. Die Rezession ist noch schlimmer als angenommen. Ministerpräsident Giorgos Papandreou kündigte vor diesem Hintergrund einen "Titanenkampf" gegen den Staatsbankrott an. "Es ist wie im Krieg", sagte er. Die Bundesregierung hat sich Medienberichten zufolge inzwischen von ihrer Maxime verabschiedet, Athen auf keinen Fall Pleite gehen zu lassen. Im deutschen Finanzministerium wird demnach schon durchgerechnet, was bislang undenkbar schien: Erstmals könnte ein Euro-Land zahlungsunfähig werden.Die Lage in Athen ist düster: Die Arbeitslosenquote liegt bei 16 Prozent, Tendenz steigend. Der Staat häuft trotz harter Sparprogramme weiter neue Schulden an. Die Privatisierung von Staatseigentum kommt nicht richtig voran. Mittlerweile erwartet Athen, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als fünf Prozent schrumpft. Der Zeitpunkt könnte schlechter kaum sein. Denn in diesen Tagen kehren die Budget-Kontrolleure nach Griechenland zurück. Vom Bericht der Finanzexperten hängt ab, ob Athen die für September geplante nächste Tranche der Hilfskredite von acht Milliarden Euro erhält. Bisher sieht es allerdings nicht danach aus. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Wochenende im ZDF, gegenwärtig seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Mit IWF-Chefin Christine Lagarde sei er sich einig: "Solange Griechenland diese Zahlen nicht erfüllt, ist eine Auszahlung nicht möglich." Der Ton gegenüber Athen verschärft sich darum zusehends. Schäuble betonte: "Griechenland muss die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen."

Was kann Athen jetzt noch tun? Horrende Schulden, Sparprogramme und Wirtschaftseinbruch bedingen einen regelrechten Teufelskreis: Der hochverschuldete Staat nimmt wegen der Rezession immer weniger ein. Zugleich hemmen drastische Sparprogramme den Konsum, was zu noch weniger Steuereinnahmen führt. Der Abbau der Schuldenlast wird damit immer schwerer - ein Teufelskreis des "Kaputtsparens" setzt ein. Die Regierung plant jetzt eine Sondersteuer auf Immobilienbesitz. Daraus sollten bis zum Jahresende zusätzlich rund zwei Milliarden Euro in die Staatskassen fließen, sagte Finanzminister Evangelos Venizelos gestern in einer live im Fernsehen übertragenen Erklärung. Diese Summe fehle derzeit im Haushalt, um den Sparzusagen gegenüber den Geldgebern zu entsprechen.

In Deutschland rechnet man offenbar aber schon mit dem Schlimmsten: dem Staatsbankrott. In der "Welt am Sonntag" hieß es, bisher habe Berlin eine Pleite aus Furcht vor einem Flächenbrand in der Euro-Zone kategorisch ausgeschlossen. Jetzt gebe es zwei Gründe für eine mögliche Kehrtwende: Zum einen könne Griechenland sein Schuldenproblem offenbar nicht lösen. Zum anderen stünden mit dem erneuerten Euro-Rettungsschirm EFSF bald mehr Instrumente zur Verfügung, mit denen sich eine Pleite besser beherrschen ließe. Der "Spiegel" schreibt, Schäuble lasse bereits sämtliche Szenarien für den Fall eines griechischen Zahlungsausfalls durchspielen. Es gebe grundsätzlich zwei Varianten einer möglichen Griechenland-Pleite. Bei der ersten bleibe das Land in der Währungsunion, bei der anderen gebe es den Euro als Zahlungsmittel auf und führe die Drachme wieder ein.

Ökonomen der Commerzbank haben gerade analysiert, wie sich die griechische Schuldenkrise weiter entwickeln könnte. Sie meinen: Es zeichnet sich ab, dass die nächste Tranche der Hilfskredite verspätet ausgezahlt wird. Gleichzeitig sagen sie aber auch, das Geld werde noch früh genug kommen, um eine Pleite Griechenlands zu vermeiden. "Denn die damit verbundenen Risiken wären nicht zuletzt vor dem Hintergrund der angespannten Lage an den Finanzmärkten kaum beherrschbar."

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