Das vergiftete Angebot der SPD-Troika"Chance, mehr Beachtung zu erzielen"

Berlin

Berlin. Ordnung muss sein, deswegen halten sich die Drei von der SPD auch pflichtgemäß an die innerparteiliche Reihenfolge: Erst betritt der Vorsitzende Sigmar Gabriel den Saal der Bundespressekonferenz, braungebrannt ist er von spanischer Sonne; dann folgt der Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, noch blass um die Nase, weil die Ferien in Südtirol erst anstehen; und zuletzt kommt der Mann, der in der SPD eigentlich keine herausgehobene Funktion mehr hat, sondern lediglich Bundestagsabgeordneter und anerkannter Fachmann ist: der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück.Die drei Herren und potentiellen SPD-Kanzlerkandidaten sitzen also oben auf dem Podium und sorgen sich um Europa und die gemeinsame Währung. Deshalb bieten sie der Bundeskanzlerin bei der Bewältigung der Krise die Mithilfe der SPD an. Übrigens auch dann, wenn ihr demnächst bei wichtigen Abstimmungen im Bundestag zum Euro die Mehrheit fehlen sollte. Das könnte durchaus passieren, denn die Kritiker in der schwarz-gelben Koalition an Angela Merkels europapolitischem Kurs und an ihrem Krisenmanagement sind nicht leiser, sondern in den vergangenen Tagen lauter geworden. Schon machen in Berlin Begriffe wie Vertrauensfrage oder Neuwahlen die Runde, wenn Merkel im Herbst die Gefolgschaft versagt bleiben sollte. Dass Gabriels Angebot freilich ein politisch vergiftetes ist, weiß er selbst - das belegt auch ein verräterisches Grinsen, welches über sein Gesicht huscht, als er der Kanzlerin die Unterstützung anbietet. Sogar einen Brief haben die sozialdemokratischen Währungsretter an Merkel geschrieben, drei Tage bevor die CDU-Chefin zum wichtigen Euro-Sondergipfel nach Brüssel reist. Allein, um ihren festen Willen der Hilfe zu untermauern. Ganz ohne taktische Hintergründe, wie die Genossen versichern. Wer's glaubt . . . Dass die SPD nämlich hofft, mit so viel Gemeinsinn auch selber wieder bei Wählern zu punkten, darf getrost unterstellt werden. Schließlich ist sie in den vergangenen Wochen kaum als inhaltliche Alternative wahrgenommen worden.

Merkel wird das Oppositionsangebot wahrscheinlich nicht annehmen. Zumal die SPD Vorschläge unterbreitet, die in der Koalition mehr als skeptisch gesehen werden - vom Schuldenschnitt für Griechenland bis zur Einführung von Euro-Bonds. Außerdem üben die Genossen harsche Kritik an der Kanzlerin, sozusagen drei gegen eine: Die Krise habe "ein neues Stadium erreicht", und die Euro-Rettungsversuche hätten zu Ängsten und Ressentiments bei den Bürgern geführt, bemängelt Gabriel. Das sei auch die Schuld der Bundesregierung: Es gebe einen "absoluten Mangel an politischer Führung", ergänzt der Parteichef, und das ohne Erfolg. Merkel habe zu lange "gezaudert und gezögert". Steinbrück betont, das bisherige Krisenmanagement entspreche nicht der "Dimension der Herausforderung".

Drei Herren sind da auch zu sehen, von denen es heißt, dass jeder 2013 als SPD Kanzlerkandidat gegen die Amtsinhaberin ins Rennen gehen könnte. Schon ist von einer neuen "Troika" die Rede. Steinbrück und Steinmeier gehören zu den beliebtesten Politikern, was im absoluten Gegensatz zu den miesen Umfrage-Ergebnissen ihrer Partei steht. Als neues informelles Führungstrio will Gabriel die Dreierrunde nicht verstanden wissen. "Wenn es andere Themen gibt, werden andere kommen", so der Vorsitzende schmunzelnd.

Wer hofft, irgendwelche Anzeichen zu entdecken, ob einer im SPD-Rennen derzeit die besseren Karten hat, der wird enttäuscht: Stoisch halten sich die Kandidaten in spe an das Europathema. Selbst Versuche der Journalisten durch die Hintertür werden konsequent pariert: "Wären wir nicht zu Dritt gekommen, hätten Sie gefragt, warum einer nicht dabei ist", antwortet Gabriel auf die Frage, weshalb man in der Dreier-Combo auftrete.

Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel - vor wem müsste sich die Kanzlerin am meisten fürchten?

Decker: Ich denke, vor Peer Steinbrück. Unter den dreien steht er am ehesten für ökonomische Kompetenz. Dass die Wirtschaft im Wahlkampf 2013 die Hauptrolle spielen wird, scheint mir ziemlich ausgemacht. Als Finanzminister der großen Koalition hat er mit der Kanzlerin so gut zusammengearbeitet, dass Merkel im Wahlkampf eine natürliche Beißhemmung entwickeln müsste.

Was ist mit Frank-Walter Steinmeier und Sigmar Gabriel?

Decker: Steinmeier steht als ehemaliger Außenminister eher für die Außenpolitik, die aber in Wahlkämpfen von geringerer Bedeutung ist. Gabriel haftet immer noch das Image eines zum Teil unseriösen Politikers an. Das kann die SPD im Bundestagswahlkampf natürlich nicht gut gebrauchen.

Wie erklären Sie sich die Popularität Steinbrücks?

Decker: Es ist ein Phänomen, dass Politiker umso populärer sind, desto weniger sie in die Parteipolitik involviert sind. Steinbrück kultiviert das Bild des Unabhängigen, man kann fast sagen: des Außenseiters. Das ist eine Position, die in der Bevölkerung traditionell ankommt.

Die möglichen Kanzlerkandidaten der SPD sind gestern gemeinsam aufgetreten. Hat die Partei ein Interesse an der Debatte?

Decker: Ja, das ist für die Partei eine Möglichkeit, mehr Beachtung zu erzielen, und das hat sie bitter nötig. Dass das Interesse des Publikums traditionell eher auf die Regierung gerichtet ist als auf die Opposition, weiß man ja. Aber auch in der Opposition erwächst der SPD mit den Grünen ein unliebsamer Konkurrent, der Aufmerksamkeit abzieht. Die SPD dringt mit ihren ureigenen Themen der sozialen Gerechtigkeit kaum noch durch. Also tut es ihr ganz gut, wenn sie über die Inszenierung eines Kandidaten-Rennens diese öffentliche Aufmerksamkeit wiedererlangt. Ob das mehr als zwei Jahre vor der Wahl der richtige Zeitpunkt ist, da habe ich große Zweifel. Es würde vollkommen ausreichen, wenn man damit ein Jahr vor der Wahl beginnt. "Wären wir nicht zu Dritt gekommen, hätten Sie gefragt, warum einer nicht dabei ist."

Parteichef Gabriel über den Auftritt

der "SPD-Troika"

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