Das unrühmliche Ende des Moskauer Bürgermeisters

Moskau. Die Entscheidung von Russlands Präsident Dmitri Medewedew wurde gerade einmal zwei Stunden vor der Sitzung der Moskauer Stadtregierung bekannt: Bürgermeister Juri Luschkow ist "wegen Vertrauensverlusts" abgesetzt. Seit Wochen hatten die Moskauer Medien über diese Möglichkeit gemunkelt. Für das Machtgefüge in Russland hat die Absetzung erhebliche Bedeutung

Moskau. Die Entscheidung von Russlands Präsident Dmitri Medewedew wurde gerade einmal zwei Stunden vor der Sitzung der Moskauer Stadtregierung bekannt: Bürgermeister Juri Luschkow ist "wegen Vertrauensverlusts" abgesetzt. Seit Wochen hatten die Moskauer Medien über diese Möglichkeit gemunkelt. Für das Machtgefüge in Russland hat die Absetzung erhebliche Bedeutung. In Moskau konzentrieren sich 80 Prozent aller Finanzströme und 20 Prozent aller Einkommen. Juri Luschkow hatte es über 18 Jahre verstanden, die unterschiedlichen Interessen in der Zehn-Millionen-Stadt unter seiner Leitung zu stellen. "Beginnt nun eine neue Verteilung des Eigentums?", fragen sich politische Beobachter. Die einfachen Moskauer besorgt vor allem, ob die sozialen Leistungen und Rentenzuschläge, die Luschkow eingeführt hat, gestrichen werden.

Die Leitung der Stadtregierung übernahm Luschkows Stellvertreter, der 74-jährige Wladimir Resin. Dieser soll nach dem Willen von Russlands Präsident die Geschäfte der Stadt so lange leiten, bis ein Nachfolger für den geschassten Bürgermeister gefunden ist.

Grund für die scharfe Wendung in dem Konflikt zwischen dem Kreml und dem Bürgermeister war nach Meinung von Politologen, dass Luschkow versucht habe, einen Keil zwischen Medwedew und Wladimir Putin zu treiben. Gestern äußerte sich erstmals auch Putin zum Fall Luschkow. Der Bürgermeister habe "viel für Moskau getan", erklärte er, aber Luschkow habe es nicht geschafft, "Vertrauen zum Präsidenten aufzubauen". Putin vermied es, den Anschein zu erwecken, dass er die Entscheidung Medwedews nicht unterstütze.

Neue Spannungen in Moskau

In Moskau stehen jetzt möglicherweise neue Spannungen bevor. Liberale Oppositionspolitiker erwarten, dass der Kreml dem geschassten Bürgermeister und "seiner Umgebung" den Einfluss auf die Wirtschaft in der Stadt Stück für Stück entreißen wird. Der Führer der liberalen Jabloko-Partei, Sergej Mitrochin, wollte nicht ausschließen, dass gegen Luschkow Strafverfahren wegen Korruption eingeleitet werden. Bisher hatten Luschkow und seine Frau, die Bauunternehmerin Jelena Baturina, alle derartigen Klagen vor Gericht gewonnen.

Der abservierte Bürgermeister erklärte gestern zudem seinen Austritt aus der Kreml-Partei Einiges Russland, zu deren Gründern er zählt. Als Grund für den Parteiaustritt nannte der Ex-Bürgermeister die "Informationskampagne" der staatlichen Fernsehkanäle gegen ihn. Zuvor hatte bereits der Vorsitzende des Parteirates von Einiges Russland, Boris Gryslow, erklärt, Luschkow habe selbst "den Anlass für die Entlassung gegeben".

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