"Das Spiel ist abgepfiffen"Rettungsschirm belastet Bund im Extremfall mit 190 Milliarden Euro

Berlin. Diesmal wollte Philipp Rösler nicht schon wieder einen Fehler begehen, nachdem er Anfang der Woche bereits das vorzeitige Scheitern der Euroskeptiker in seiner Partei erklärt hatte - und dafür kräftig gescholten worden war

Berlin. Diesmal wollte Philipp Rösler nicht schon wieder einen Fehler begehen, nachdem er Anfang der Woche bereits das vorzeitige Scheitern der Euroskeptiker in seiner Partei erklärt hatte - und dafür kräftig gescholten worden war. Also erhielten zuerst die Präsidiumsspitzen der FDP eine SMS, dass er sie auf alle Fälle noch vor der Presse über den Ausgang des Mitgliederentscheids zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm informieren werde. Als die Zahlen die Runde gemacht hatten, folgte die nächste SMS, diesmal an die rund 40 Mitglieder des Bundesvorstands, in der sachlich und ohne freudige Anmerkung des Vorsitzenden das Ergebnis mitgeteilt wurde. Ordnung muss sein in der FDP. Auch im parteiinternen Chaos.Das wiederum, so lautete gestern die Botschaft aller Führungskräfte, die nach und nach im Thomas-Dehler-Haus vor die Journalisten traten, soll jetzt der Vergangenheit angehören: Das nötige Quorum von 21 503 Stimmen wurde zwar knapp bei der Abstimmung verfehlt. Von den gültigen Stimmen entfielen aber nur 44,2 Prozent auf den Antrag der Euro-Skeptiker, 54,4 Prozent unterstützten die Linie des Parteivorstands. Der Rest enthielt sich. "Das Spiel ist abgepfiffen, das Ergebnis liegt vor. Die klare Mehrheit der Partei will keine andere FDP", befand ein zufriedener Gesundheitsminister Daniel Bahr. In den Sitzungen von Präsidium und Vorstand "ist die Stimmung gelöst gewesen", hieß es. Erleichtert zeigte sich auch die Union, denn wären die Euroskeptiker bei den Liberalen erfolgreich gewesen, hätte dies durchaus den Bestand der schwarz-gelben Koalition in Frage stellen können. Unions-Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) sagte unserer Zeitung, die FDP bleibe zum Glück eine pro-europäische Partei. Dadurch sei auch Schwarz-Gelb gestärkt.

Rösler und der schärfste liberale Euro-Kritiker sowie Initiator des Entscheids, Frank Schäffler, traten sogar gemeinsam vor die Presse. Ein Zeichen der Versöhnung und des Aufbruchs sollte dies sein. Rösler äußerte überraschend Bedauern darüber, dass durch Interviews von ihm der Eindruck entstanden sei, "ich hätte das Ergebnis vorwegnehmen wollen". Das klang ganz nach dem Muster des von einer Kreditaffäre geplagten Bundespräsidenten Christian Wulff. Schäffler sicherte der Parteiführung im Gegenzug seine Unterstützung zu. Mit Blick auf das Auszählverfahren habe es keine Beanstandungen gegeben, betonte er. Freilich war die Organisation und die Umsetzung des Entscheids von ihm scharf kritisiert worden. Der designierte Generalsekretär Patrick Döring versprach daher eine Reform des Verfahrens.

Also alles wieder in Butter bei der FDP? Wohl kaum. Wer Rösler auf dem Podium insbesondere bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses sah, der erlebte einen ziemlich mitgenommen wirkenden, 38-jährigen Politiker. Von Freude war bei Rösler nichts zu spüren. Fraktionschef Rainer Brüderle, der immer wieder als Ersatz-Vorsitzender gehandelt wird, falls Rösler die FDP nicht mehr auf Vordermann bringen kann, befand zwar, der Parteichef sei "gestärkt" worden. Aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass der gestrige Tag dem Vorsitzenden nur etwas Luft verschafft hat. Denn trotz der Erleichterung der Parteigranden gab es hinter vorgehaltener Hand durchaus Kritik daran, dass es Rösler nicht gelungen sei, die Mitglieder auch für das Erreichen des Quorums zu mobilisieren. Rösler hängt zudem nach, dass das Zerwürfnis zwischen ihm und seinem abgetretenen General Christian Lindner viel größer sein soll als bisher vermutet.

Die meisten Liberalen in der Parteizentrale betonten jedoch, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, "endlich mit der Selbstbeschäftigung" aufzuhören. Viel Zeit bleibt Rösler nicht, seinerseits zu zeigen, dass er die Liberalen endlich aus der Krise führen kann. Bereits am 6. Januar beim Dreikönigstreffen in Stuttgart muss er der FDP einen ordentlichen Ruck geben - oder, wie er sagen würde: "liefern".Berlin. Der geplante dauerhafte Rettungsschirm ESM soll nach den neuesten Plänen der Euro-Länder Mitte 2012 starten und damit ein Jahr früher als bisher geplant. Der ESM löst den Rettungsschirm EFSF ab. Zusammen mit dem ESM-Vertrag sollen auch schärfere Regeln für die 17 Euro-Länder vereinbart werden und die Währungsunion so auf eine neue vertragliche Grundlage gestellt werden. Aus einem Hilfsfonds würde damit also ein Vertrag für die angestrebte Fiskalunion.

Deutschland springt beim ESM nicht mehr nur als Bürge ein: Berlin steuert rund 21,7 Milliarden Euro Bareinlagen und 168,3 Milliarden an Garantien bei. Bisher soll die Bareinlage in fünf gleichen Raten von je rund 4,3 Milliarden Euro gezahlt werden. Wegen des früheren ESM-Starts wird die erste Rate aber schon Mitte 2012 fällig. Dafür muss Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Nachtragshaushalt für 2012 vorlegen. Die erste Rate könnte auch weit höher ausfallen, sollte der ESM rascher aufgefüllt werden. Im Extremfall kann der Bundesetat mit 190 Milliarden Euro belastet werden. dpa

"Die klare Mehrheit

der Partei will keine andere FDP."

Daniel Bahr

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