US-Student in Nordkorea Das rätselhafte Schicksal von Otto Warmbier

Washington · Es ist ein Abenteuer, das er teuer bezahlt hat: Ein US-Student reist nach Nordkorea, gerät dort in Haft, fällt auf mysteriöse Weise ins Koma und stirbt.

Es sind pixelige, unscharfe Bilder, gefilmt im Flur eines Hotels in Pjöngjang. Sie zeigen einen hochgewachsenen Mann, der ein Plakat vorsichtig auf den Boden legt. Es ist ein Propagandaposter, offensichtlich ein Souvenir, das er mit nach Hause nehmen wollte.

Wieder und wieder sind die Bilder in den Abendnachrichten der Fernsehsender gelaufen, seit Otto Warmbier nach 17 Monaten nordkoreanischer Gefangenschaft in seine Heimatstadt Cincinnati zurückkehrte. Als er ankam, lag er im Koma, entweder seit Wochen oder seit Monaten, genau weiß es wohl niemand. Am Montagabend ist Warmbier in einer Klinik in Cincinnati verstorben, ein 22-Jähriger, der in diesem Monat seinen Uni-Abschluss gemacht hätte. An der University of Virginia hatte er Ökonomie studiert, liebte Rap-Musik, an seiner High School war er Fußball-Kapitän. Ein Abenteuerlustiger – so charakterisieren ihn Verwandte und Freunde.

Was Warmbier hinter Gittern widerfuhr, ist völlig unklar. Nach der Version des Regimes von Kim Jong Un litt er an Botulismus, einer seltenen Krankheit, die man sich nach dem Verzehr verdorbener Lebensmittel zuziehen kann. Man habe ihm eine Schlaftablette gegeben, danach sei er ins Koma gefallen. Die amerikanischen Ärzte können sich die schweren neurologischen Verletzungen nicht erklären. Der Student habe große Mengen an Hirngewebe verloren. Knochenbrüche hätten sie nicht festgestellt, auch sonst nichts, was darauf schließen ließe, dass Warmbier brutal geschlagen wurde.

Am 30. Dezember 2015 reiste Warmbier von Peking nach Pjöngjang, vermutlich spontan. In China hatte ein Reisebüro namens Young Pioneer Tours mit Kurztrips geworben, offenbar reizte den Jungen aus Ohio die Aussicht, Silvester in einem abgeschotteten Land zu feiern. Am 2. Januar, kurz vor dem Rückflug, wurde er auf dem Flughafen Pjöngjangs verhaftet. Die letzten Bilder, die einen Otto Warmbier bei vollem Bewusstsein zeigen, sind Szenen des Schauprozesses, bei dem er gezwungen wurde, ein Geständnis abzulegen. Er habe den schwersten Fehler seines Lebens gemacht, sagte er unter Tränen. „Bitte retten Sie mein Leben.“ Im März 2016 wegen staatsfeindlicher Aktivitäten zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt, schrieb er noch einmal an seine Eltern. Nur ein Brief kam seit dem Urteil in Cincinnati an. Danach: Funkstille. Bis die Nordkoreaner der US-Regierung Anfang Juni mitteilten, der Student liege im Koma. Selbst Bill Richardson, ein Politiker, der unter dem Präsidenten Bill Clinton UN-Botschafter war und regelmäßig mit Pjöngjang verhandelt, sieht sich hinters Licht geführt. Zwanzig Mal, sagt der Demokrat, habe er nordkoreanische Emissäre seit der Festnahme Warmbiers getroffen. Kein einziges Mal sei dessen Gesundheitszustand auch nur erwähnt worden. Nordkorea habe der Welt zu erklären, was Warmbier zugestoßen sei. Der Republikaner John McCain ruft nach Konsequenzen: „Die Vereinigten Staaten können und dürfen es nicht hinnehmen, wenn einer ihrer Bürger durch eine feindliche Macht ermordet wird.“

Die Eltern des Toten verfassten einen bewegenden Abschiedsbrief. Als ihr Sohn am 13. Juni heimgekehrt sei, habe er ausgesehen, als sei er von Schmerzen geplagt, schreiben Fred und Cindy Warmbier. Innerhalb eines Tages habe sich sein Gesichtsausdruck jedoch verändert, vom Ängstlichen zum Friedlichen. „Er war zu Hause, und wir glauben, dass er das spüren konnte.“

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