„Das Mitglied steht im Mittelpunkt“: Automobilclub beschließt Reformen

München · Eigentlich hatte August Markl schöne Pläne für seinen Ruhestand: eine Kreuzfahrt mit seiner Frau, mehr Zeit für die Enkel. Nun soll er als neuer Präsident den ADAC aus seiner bislang schwersten Krise führen.

Äußerlich stellt man sich eine Revolution anders vor. Die erste außerordentliche Hauptversammlung des ADAC seit 1948 ähnelte eher der Gebietsleiterkonferenz einer großen Versicherung: Herren in gesetztem Alter in dunklen Anzügen billigten am Wochenende in der Münchener Club-Zentrale diszipliniert und geschlossen, was ihnen der Vorstand als Reformpaket unter dem Titel "Reform für Vertrauen" vorlegte. Es blieb ihnen wohl auch gar nichts anderes übrig. So regte sich nicht eine Hand zur Gegenstimme oder Enthaltung, als die Versammlung ein neues "Leitbild des ADAC " mit dem Bekenntnis "Das Mitglied steht im Mittelpunkt" verabschiedete. Präsident August Markl verglich den Reformprozess mit einem Marathonlauf: "Die ersten Kilometer liegen hinter uns. Die Kondition stimmt."

Zuvor war der 66-Jährige Interims- und Erster Vizepräsident Markl zum Nachfolger des zurückgetretenen Peter Meyer gewählt worden. Der Radiologe erhielt in geheimer Wahl ohne Gegenkandidaten 180 von 218 abgegebenen Stimmen, knapp 83 Prozent. Zehn Delegierte enthielten sich, immerhin 28 stimmten gegen Markl. Gleichwohl zeigte sich Markl mit dem "sehr guten Ergebnis" zufrieden. Die Nachwahl des Ersten Vizepräsidenten wurde auf die nächste Hauptversammlung im Mai in Bochum verschoben.

Trennung zwischen Idealverein und Wirtschaftstätigkeit, Vermeidung von Interessenkonflikten, mehr Transparenz und mehr Mitgliederbeteiligung lauten die Konsequenzen aus der tiefen Krise, die vor elf Monaten mit der Aufdeckung von Manipulationen bei der Verleihung des "Gelben Engel" ihren Anfang nahm. Dass die Mitglieder dem ADAC in Scharen davon gelaufen wären, kann man nicht behaupten. Zum 30. November 2014 zählte der ADAC 18,94 Millionen Mitglieder, 646 mehr als zu Jahresbeginn. Vor der Krise war man freilich sicher, in diesem Jahr die 20-Millionen-Grenze zu knacken.

Der entscheidende Druck kommt vom Münchener Registergericht. Mit den Reformen wolle man dem Risiko begegnen, dass "der Vereinsstatus des ADAC e.V. (...) infrage gestellt oder sogar entzogen werden könnte", warnte Markl. Daher werden die Aktivitäten des "Idealvereins" ADAC e.V. mit der Pannenhilfe als zentraler Dienstleistung strikt von den wirtschaftlichen Aktivitäten getrennt, die in einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft gebündelt werden sollen. An dieser AG sollen der ADAC mit 74,9 und eine noch zu gründende gemeinnützige Stiftung mit 25,1 Prozent beteiligt sein.

Die Dreiteilung in Verein, Stiftung und AG sei "anspruchsvoll", aber "ohne Zweifel dazu geeignet", den ADAC "langfristig rechtssicher aufzustellen", bescheinigte der ehemalige Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier als ein Mitglied des ADAC-Beirats. Beirats-Sprecher Jürgen Heraeus warnte die etwa 200 Delegierten davor, auf ein schlechtes Gedächtnis der Öffentlichkeit zu setzen. Das Erinnerungsvermögen sei wegen des Internets sehr viel länger: "Bis Sie das wieder weg kriegen, dauert es fünf bis sechs Jahre und in diesen Jahren darf nix vorkommen", warnte Heraeus.

Um in Zukunft Interessenkonflikte zu vermeiden, verabschiedet sich der ADAC von zahlreichen Produkten und Leistungen, kündigte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker an. Schluss ist mit der Propagierung von "ADAC-Werkstätten", mit dem Vertrieb von Kindersitzen, mit Gewinnspielen und Provisionen für von Pannenhelfern verkaufte Batterien.

Schneeketten will der ADAC weiterhin verleihen, aber keine mehr testen, ebenso wenig Pedelecs. Es gelte fortan der Grundsatz "Gleichzeitig testen und verkaufen geht nicht", verkündete Markl. Das heißt: Entweder man macht mit einem Mobilitätsprodukt ein Geschäft oder man testet es.

Rechnung tragen will der ADAC auch dem Vorwurf des Demokratiedefizits. Heute "fehlt die Meinung der Mitglieder", räumte Vizepräsident Kurt Heinen ein. Vor allem mit Hilfe des Internets solle der bislang "begrenzte" Mitgliederdialog mit einem "Meinungsportal" intensiviert und der Zugang zu ADAC-Versammlungen erleichtert werden.

Der einzige, der Fragezeichen hinter den Reformeifer der ADAC-Oberen setzte, war Ehrenpräsident Otto Flimm (85), der sich berufen fühlte, "ein bisschen den alten ADAC zu verteidigen". Die Schuld an den Zuständen, die den Verein in seine größte Krise seit seines Bestehens führten, gab Flimm dem "Expansionsdrang" der "Hauptamtlichen". "In manchen Dingen konnte ich mich dem Druck nicht widersetzen", sagte Flimm.

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