„Das Männlichkeits-Gen wird empfindlich gestört“

Berlin-Neukölln ist der soziale Brennpunkt der Hauptstadt, Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) ein bekennender Klartext-Redner und bekannter Buchautor. Der 65-Jährige befürwortet das von Union und SPD in den Koalitionsverhandlungen geplante zeitweise Fahrverbot für Straftäter, wie er unserem Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff erläutert.

Herr Buschkowsky, was halten Sie von der Idee, auch Fahrverbote als Strafen zu verhängen?

Buschkowsky: Besonders bei jungen Straftätern steht noch das Erziehungsziel im Vordergrund. Strafen müssen die Betreffenden beeindrucken und sie durchaus auch in ihrer Lebenswelt einschränken. Das schafft man nicht mit Eiapopeia und über den Kopf streicheln. Da kann der Entzug des Führerscheins durchaus Wirkung entfalten und lästig sein. Natürlich nur, wenn diejenigen überhaupt einen Führerschein haben und es in ihrer Gruppe nicht sowieso als besonders cool gilt, ohne Pappe zu fahren.

Der Entzug wirkt nur auf dem Land. In der Stadt können die Verurteilten auf Busse und Bahnen ausweichen.

Buschkowsky: Es geht doch nicht um den Transport von A nach B. Autofahren und die Straße rauf und runter düsen, Eindruck bei den Mädchen machen, darum geht es. Plötzlich sind die anderen die Coolen und man selbst steht an der Ecke. Das Männlichkeits-Gen wird empfindlich gestört. Das kann sehr nachhaltige Wirkung erzielen. Im Brennpunkt haben viele junge Leute gar kein Geld, einen Führerschein zu machen. Da ist das Instrument stumpf.

Was schlagen Sie denn stattdessen vor?

Buschkowsky: Schnell muss es gehen und wirksam muss es sein. Das ist die schlichte Zauberformel. Wenn man Jugendlichen nach einem Überfall auf einen Zeitungskiosk erst sieben Monate später den Prozess macht und ihnen dann erklären muss, um welche Straftat es eigentlich geht, ist das eine ziemlich sinnlose Veranstaltung. Dazu kommt, dass die Strafverbüßung ebenfalls noch Monate auf sich warten lässt. Die jungen Leute müssen möglichst unmittelbar nach der Straftat das Signal erhalten: Du bist auf dem falschen Weg. Wenn du so weitermachst, landest du im Knast und gehst nicht mehr mit deinem Schnucki Händchen haltend auf der Hauptstraße spazieren. Zum Beispiel muss der Arrest, also die Vorstufe zum Jugendgefängnis, aus meiner Sicht viel früher angewendet werden. Mal vier Wochen weg von Mutti, und plötzlich ist keiner mehr da, der Brote schmiert und die Unterhose wäscht, da kommen selbst Machos ins Grübeln. Klingt einfach - und scheint bei uns doch so unheimlich schwer umzusetzen zu sein.

Sie sind nicht zufrieden mit der Justiz?

Buschkowsky: Mein Eindruck ist, dass die Gerichte die zunehmende Verrohung in unserer Gesellschaft nicht nachvollziehen. Schwerste Gewalttaten werden immer mehr zum Regel-Delikt. Einfachste Konflikt-Situationen wie Fahrschein vorzeigen oder Zigaretten schnorren lösen schlimmste Exzesse aus. Sofort werden Messer gezückt, wird ins Gesicht getreten, werden Leute in den Rollstuhl geprügelt, auch wenn sie schon am Boden liegen. Und dann gibt es zum zigsten Mal eine Bewährungsstrafe, die als Freispruch empfunden wird. Es muss sich endlich der Grundsatz durchsetzen: Wer sich gegen Leib und Leben eines Anderen vergeht, der fährt ein - ob er 17 ist oder 27.

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