Das lange Sterben nach der Spritze

Washington · In den USA ist es bei einer Hinrichtung mit Gift erneut zu einer Panne gekommen. Ein Doppelmörder im Bundesstaat Arizona lebte Augenzeugen zufolge noch knapp zwei Stunden nach den tödlichen Spritzen und rang nach Luft. Ein Abbruch der Prozedur wurde abgelehnt.

Die erste Droge betäubt das Bewusstsein, die zweite bewirkt einen Herzstillstand: Hinrichtungen in den USA mit solchen Cocktails dauern normalerweise nicht länger als eine Viertelstunde, aber der 55-jährige Joseph R. Wood III starb nicht wie vorgesehen. "Er schnappte nach Luft wie ein Fisch an Land", berichtet der Journalist Michael Kiefer, der als Augenzeuge bei der Hinrichtung im Bundesstaat Arizona dabei war. "Es war ein Tod durch Atemstillstand. Und er dauerte eineinhalb Stunden." Kiefer zufolge bescheinigte ein Arzt in dieser Zeit mehrfach, dass der Häftling bewusstlos sei. Offiziellen Angaben zufolge wurde Wood um 15.49 Uhr für tot erklärt, eine Stunde und 57 Minuten nach Beginn der Hinrichtung. Neben Kiefer hatte bis dahin auch die Nachrichtenagentur Associated Press mehr als 600 Atemzüge gezählt.

"Die Bewegung war wie ein Kolben: Der Mund öffnete sich, die Brust hob sich, der Magen zog sich zusammen. Und wenn der Doktor hereinkam, um seinen Bewusstseinszustand zu überprüfen, und das Mikrofon anschaltete, um zu erklären, dass Wood immer noch sediert war, konnten wir die Töne hören, die er machte: ein Schnarchen und Saugen, etwa so wie ein Schwimmbadfilter, der Luft abbekommt. Das Geräusch war lauter, als ich es nachmachen kann, obwohl ich es versucht habe", berichtete Kiefer weiter.

"Ich habe eine Reihe von Hinrichtungen erlebt. Und so etwas habe ich noch nie gesehen", sagte Dale Baich, einer von Woods Anwälten, der vom Arizona State Prison Complex in Florence mit der "Washington Post" telefonierte. Als sich die Hinrichtung in die Länge zog, hatten Woods Rechtsvertreter bei mehreren Gerichten Eilanträge eingereicht, um sie zu stoppen. Der "New York Times" zufolge riefen sie sogar einen Richter des Supreme Court an, des obersten Gerichtes in den USA - ohne Erfolg.

Der achte Zusatzartikel der US-Verfassung verbietet ungewöhnliche und grausame Strafen, aber da der betreuende Arzt dem Delinquenten durchweg Bewusstlosigkeit bescheinigt hatte, herrschte gestern keineswegs Einigkeit darüber, ob er gelitten hat. Die republikanische Gouverneurin Jan Brewer sagte, sie sei besorgt über die Länge der Prozedur und habe deshalb eine Überprüfung angeordnet. "Eines ist aber sicher: Häftling Wood starb den Vorgaben des Gesetzes gemäß, und Augenzeugen und medizinischen Berichten zufolge hat er nicht gelitten." Eine Sprecherin des Generalstaatsanwaltes von Arizona , die die Hinrichtung beobachtet hat, sagte, Wood habe geschlafen und lediglich geschnarcht.

Wood war verurteilt worden, weil er 1989 seine Ex-Freundin und deren Vater ermordet hatte. Einige Angehörige der Opfer wohnten der Hinrichtung ebenfalls bei; Wood soll sie vor Beginn angegrinst haben, ohne in seinem Schlusswort Bedauern auszusprechen. Ein Schwager der Ermordeten sagte der "Associated Press", die Hinrichtungsmethode mache ihm angesichts des Verbrechens von Wood keine Sorgen.

Kritiker verweisen allerdings darauf, dass im Bundesstaat Oklahoma erst vor drei Monaten ein Todeskandidat auf seiner Bahre offensichtlich litt, bevor er schließlich an Herzversagen starb. Bisherigen Erkenntnissen zufolge soll ein falsch gelegter Katheter die Ursache gewesen sein, dass das Giftgemisch nicht richtig wirkte. Vermehrt scheinen aber auch die verwendeten Stoffe selbst das Problem. Im Januar hatte ein Häftling in Ohio ebenfalls fortgesetzt nach Luft geschnappt, nachdem ihm der nun in Arizona verwendete Cocktail verabreicht worden war - Midazolam und Hydromorphon. Unter den Herstellern der früher verwendeten Barbiturate finden sich kaum noch Firmen, die ihre Produkte zu Hinrichtungszwecken verkaufen. US-Staaten, in denen die Todesstrafe praktiziert wird, sind deshalb auf Ersatzmittel ausgewichen, deren Herkunft sie oft geheim halten.

Auch zur Qualifikation des medizinischen Personals bekommen die Anwälte der Betroffenen oft nur unzureichende Auskunft. Im Falle Joseph Woods hatte ein Berufungsgericht aus solchen Gründen noch am Samstag einstimmig Aufschub gewährt. Der Supreme Court hatte die Entscheidung am Dienstag aber kassiert.

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HintergrundDie USA gehören zu den wenigen Industrieländern, die noch an der Todesstrafe festhalten. In 32 der 50 US-Staaten sieht das Gesetz diese Strafe für schwere Verbrechen vor. Seit der Oberste Gerichtshof des Landes die Todesstrafe 1976 wieder zuließ, wurden nach Angaben des Death Penalty Information Center fast 1400 Todesurteile vollstreckt.Die mit Abstand meisten Exekutionen seit 1976 gab es mit 515 in Texas. Es folgen Oklahoma (111), Virginia (110) und Florida (86, Stand 12. Mai). Allerdings geht die Zahl der Hinrichtungen seit Jahren stetig zurück - von 265 im Jahr 1997 bis auf 80 im Jahr 2013. Die allermeisten Verurteilten kommen durch eine Giftinjektion ums Leben. dpa

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