Das Kartellamt macht der Politik beim Sprit Beine

Stets war bei den Politikern die Empörung über die Abzocke an der Tankstelle vor Ferienbeginn oder vor Feiertagen groß. Doch meist blieb es beim populären Aufschrei

Stets war bei den Politikern die Empörung über die Abzocke an der Tankstelle vor Ferienbeginn oder vor Feiertagen groß. Doch meist blieb es beim populären Aufschrei. Das scheint sich nun zu ändern: Die gestern vorgestellte Untersuchung des Bundeskartellamtes zur Marktbeherrschung der fünf großen Mineralölunternehmen macht jetzt der Politik Beine - "der Preistreiberei an den Zapfsäulen muss ein Ende gesetzt werden", kündigt Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU, Foto: dpa) gegenüber unserer Zeitung an.Aral, Esso, Jet, Shell und Total, sie machen sich gegenseitig keinen wesentlichen Wettbewerb, so das Kartellamt. Erhöht der eine, zieht der andere meist sofort nach. "Ganz offensichtlich haben die Mineralölkonzerne ausgeklügelte Mechanismen zur Preisbeobachtung entwickelt, denen mit herkömmlichen kartellrechtlichen Methoden kaum beizukommen ist", glaubt Aigner. Daher sei es richtig, dass das Bundeskartellamt den Öl-Multis strenge Auflagen für den Erwerb weiterer Tankstellen auferlegen wolle. Allerdings müssten auch die Kompetenzen des Amtes generell gestärkt werden. "Sollte eine Marktverzerrung vorliegen, muss die Behörde in der Lage sein, diese Strukturen sofort zu ändern. Es kann nicht sein, dass uns die Öl-Multis vorführen." Aigner rät zudem: "Verbraucher sollten verstärkt bei freien Tankstellen tanken." Wer dort tanke, sorge für mehr Wettbewerb.

Dafür will auch die FDP jetzt sorgen. Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer Christian Ahrendt verlangt, das Tankstellennetz von den Ölkonzernen zu trennen "und unabhängigen Betreibern zu überlassen". Die Union plant hingegen, direkt gegen die Preispolitik der Konzerne vorzugehen. Täglich würden die Spritpreise an den Zapfsäulen mehrfach geändert, kritisiert der Wirtschaftsexperte Georg Nüßlein (CSU), "obwohl der Treibstoff in den Tanks und somit deren Einkaufspreis der gleiche bleibt. Andere Länder haben diesem Irrsinn bereits Einhalt geboten." Er schlägt deshalb vor, das australische Modell zum Vorbild zu nehmen: Dort dürfen die Mineralölkonzerne nur einmal am Tag, um sechs Uhr morgens, ihren Preis ändern und müssen ihn dann 24 Stunden bestehen lassen. Außerdem muss die Änderung 16 Stunden vorher angemeldet werden. "Dieses Modell müssen wir auch in Deutschland einführen", fordert Nüßlein. Österreich geht einen ähnlichen Weg, mit dem sich auch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) anfreunden kann.

Die SPD indes dringt zusätzlich auf eine Preisregulierung durch den Gesetzgeber. Per Verordnung sei dies schnell möglich, heißt es. Außerdem fordert sie die Umsetzung des von CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag angekündigten Entflechtungsgesetzes. Damit soll das Bundeskartellamt erstmals die Befugnis bekommen, Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zu zerschlagen.

Gegen das Gesetz waren in der Vergangenheit Wirtschaftsverbände Sturm gelaufen, und auch der Wirtschaftsflügel der Union hatte einen solchen staatlichen Eingriff in die Konzernstrukturen und die Preisgestaltung abgelehnt. Zum Leidwesen des früheren Bundeswirtschaftsministers und jetzigen FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle, der mit dem Vorhaben scheiterte. Durch die Untersuchung des Kartellamtes mehren sich jetzt auch die Stimmen in der Koalition, die eine neue Initiative für ein Entflechtungsgesetz fordern. Allen voran wieder Rainer Brüderle. "Es kann nicht

sein, dass uns

die Öl-Multis vorführen."

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner

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