„Das ist eine Volksbewegung“

Die Osteuropa-Expertin der Grünen, Marieluise Beck, hat die Gewalt in der Ukraine während eines dreitägigen Besuchs in Kiew hautnah miterlebt. Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach mit ihr über ihre Eindrücke und politische Lösungswege.

Frau Beck, wie war Ihr Eindruck bei Ihrem Besuch vor Ort?

Beck: Furchtbare Gewalt, aber auch eine unglaubliche Entschlossenheit der Bürger in Kiew und eine Welle der Solidarität unter den Menschen. Auf dem Maidan-Platz standen gut gekleidete Frauen, die sich am Bau von Barrikaden beteiligt haben. Ich habe Männer gesehen, die den Maidan nach der schrecklichen Gewaltnacht säuberten, während oben in meinem Hotel Sanitäter und Medizinstudenten die Verletzten versorgten und Priester die Toten beweinten. Für unsere Augen ist das alles sehr ungewöhnlich.

Sie wollen trotzdem nicht von einem Bürgerkrieg sprechen. Warum?

Beck: Weil das eine völlig irreführende Bezeichnung für die Vorgänge in der Ukraine ist. Hier kämpfen nicht Bürger gegeneinander, sondern sie stehen zusammen im Kampf gegen ein ausbeuterisches, gewissenloses und zu aller Gewalt bereites Regime.

Aber Experten sagen, die Ukraine sei tief zerrissen zwischen westlichen Werten und der alten Bindung an Russland.

Beck: Es hat auch in der ostukrainischen Region Demonstrationen gegen den Präsidenten Janukowitsch gegeben. Ich habe mit einem jungen Hotelangestellten gesprochen, der mir berichtete, dass Bürger in seiner ostukrainischen Heimatstadt die Gleise blockierten, damit staatliche Sicherheitskräfte nicht nach Kiew fahren können, um dort eingesetzt werden.

Sie sehen also keine Spaltung?

Beck: Sicher gibt es viele Ukrainer, die eher nach Moskau orientiert sind. Aber hier verläuft der Riss eher zwischen einer Stadtbevölkerung, die für Modernisierung und Rechtsstaatlichkeit eintritt, und ländlich geprägten Bürgern, die fürchten, genau deshalb auf der Strecke zu bleiben.

Auch in der Opposition gibt es radikale und gewaltbereite Kräfte. Wie haben Sie das erlebt?

Beck: Die Menschen stehen seit drei Monaten auf dem Maidan, und die Oppositionsführer sind in dieser Zeit immer wieder mit leeren Händen nach Verhandlungen mit Janukowitsch zurückgekehrt. Es gab viele Tote. All das hat die Wut auf dem Maidan ansteigen lassen. Deshalb flogen auch Molotow-Cocktails. Aber die eigentliche Gewalt ist eine Staatsgewalt.

Lesen Sie das ganze Interview im Internet unter: www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero

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