Das große Puzzeln für eine große Koalition

Berlin · Der Termin steht also: Am Freitag wollen Union und SPD sich zu Sondierungsgesprächen für eine große Koalition treffen. Doch die Ausgangslage ist kompliziert. Die Steuerfrage dürfte der Knackpunkt werden.

Die Wahl des Ortes für die Sondierung könnte ein gutes Vorzeichen sein: Union und SPD werden am Freitag in der ehrwürdigen Parlamentarischen Gesellschaft vis-à-vis des Reichstages zu einem ersten Gespräch zusammenkommen. Das offizielle Credo des exklusiven Clubs ist, die persönlichen Beziehungen über Parteigrenzen hinweg zu fördern und für ein besseres Verständnis für unterschiedliche Positionen zu sorgen. Vielleicht beflügelt dieser Geist ja beide Seiten beim großen Puzzeln für eine große Koalition. Denn es wird sehr kompliziert - bei den Teilnehmern, beim Fahrplan, bei den Inhalten.

14 zu sechs. So sieht derzeit noch das ungleiche Kräfteverhältnis bei der Sondierung aus. Die Union will mit 14 Unterhändlern kommen - sieben der CDU, sieben der CSU - die SPD mit sechs. "Es verhandeln drei Parteien, das wird eine gute Runde werden", erklärte gestern CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den deutlichen Personalüberhang bei der Union. Bis Freitag wird es dem Vernehmen nach noch "informelle Begleittermine" wie Telefongespräche zwischen den Parteivorsitzenden Angela Merkel und Sigmar Gabriel oder kurze Begegnungen unter vier Augen geben. Gleichwohl dürfte die Zeit bis dahin auch genutzt werden, sich weiter zu positionieren oder neue inhaltliche Hürden aufzubauen.

Das macht die Sache noch schwieriger. Nächste Woche will die Union dann mit den Grünen sondieren. Das soll aber nicht automatisch bedeuten, dass es bei nur einem Klärungsgespräch mit der SPD bleibt. Klar sei, so Gröhe, dass man spätere Koalitionsverhandlungen nur mit einer Partei führen werde. "Einzelfragen" seien bei der Präsidiumssitzung der CDU mit Blick auf die Sondierung nicht besprochen worden, so der Generalsekretär. Allerdings sei einhellig klar gemacht worden, "dass es mit uns keine Steuererhöhungen geben wird". Die Steuerfrage dürfte dann auch mit der größte Knackpunkt bei möglichen Koalitionsverhandlungen werden. Denn die SPD sieht keinen Anlass, von ihrer bisherigen Position abzuweichen. Von der Union wiederum kommt die Mahnung, die Genossen dürften das Kräfteverhältnis, das sich aus dem Wahlergebnis ergebe, nicht ignorieren. Das sei auch der Unterschied zu 2005, als Union und SPD prozentual fast gleichauf lagen. Die Frage also, wer am Ende in einer großen Koalition Koch und Kellner sein wird, dürfte auch noch für handfesten Ärger sorgen.

Ein paar Kilometer entfernt im Willy-Brandt-Haus hob SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles fast zur gleichen Zeit hervor, sie rechne in ihrer Partei mit einem "schwierigen Meinungsbildungsprozess" mit offenem Ausgang. Im Zweifel werde "alles länger dauern und wir landen irgendwann mit einer abschließenden Regierungsbildung im Dezember oder Januar", so die SPD-Frau. Zwar hatte am Freitag ein Parteikonvent mit überwältigender Mehrheit grünes Licht für Sondierungen mit Merkels Truppen gegeben. Doch einflussreiche Genossen tun sich nach wie vor schwer mit den Realitäten. Wie zum Beispiel Ralf Stegner aus Schleswig-Holstein, für den sich "gewaltig was tun" müsse bei der Union, um mit ihr ins Koalitionsbett zu kriechen - ein "Umfallen" in der Steuerdebatte inklusive.

Bei der SPD wird nach den Sondierungen auf jeden Fall der Parteikonvent erneut zusammenkommen, um das Ergebnis zu bewerten und über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu entscheiden. Danach wird es für die Genossen richtig heikel: Denn am Ende sollen die 470 000 Mitglieder über einen Koalitionsvertrag abstimmen. Ursprünglich war für dieses Procedere eine Frist bis zum 14. November im Gespräch. Dann beginnt der Bundesparteitag der SPD. Dabei wird auch die Führung turnusmäßig neu gewählt. Laut Nahles ist es aber nun "überhaupt kein Muss" mehr, die Basis vorher abstimmen zu lassen. Hinter dieser Ansage steckt offenbar das Kalkül, dass den Mitgliedern die Ablehnung eines später ausgehandelten Koalitionsvertrages erst recht schwerfallen müsste, weil sie damit auch ihre frisch gewählte Führung in die Wüste schicken würde. Schwierig bleibt es somit allemal.

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HintergrundDie Bundes-SPD begeht nach Ansicht des Vorsitzenden der Linksfraktion im saarländischen Landtag, Oskar Lafontaine, vor Beginn der Sondierungen mit der Union einen taktischen Fehler. "Ich wundere mich, dass die SPD sich jetzt in die Situation treiben lässt, als Steuererhöhungspartei vorgeführt zu werden", sagte er gestern. Stattdessen müssten die Sozialdemokraten dafür eintreten, die "wirklichen Leistungsträger" der Gesellschaft zu entlasten und die Reichensteuer zu erhöhen. kir

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