"Das Erbe lastete lange auf der Stadt"

Southampton. Am Kai standen die Menschenmassen dicht an dicht, auf dem Wasser schwammen Blumen, im Hintergrund war Musik zu hören: Fast hätte es an den Tag vor genau 100 Jahren erinnert, als sich am Hafen im englischen Southampton hunderte Menschen für die "Titanic" versammelt hatten. Natürlich aber war alles ganz anders

Southampton. Am Kai standen die Menschenmassen dicht an dicht, auf dem Wasser schwammen Blumen, im Hintergrund war Musik zu hören: Fast hätte es an den Tag vor genau 100 Jahren erinnert, als sich am Hafen im englischen Southampton hunderte Menschen für die "Titanic" versammelt hatten. Natürlich aber war alles ganz anders. Gestern trafen sich an dem Ort, an dem der legendäre Ozeanriese am 10. April 1912 zur Jungfernfahrt auslief, Nachfahren der Opfer des Unglücks. Sie gedachten der 1500 Toten der Katastrophe.An diesem Tag vor 100 Jahren hätten wohl wenige am Hafen geglaubt, dass die mächtige "Titanic" gegen einen Eisberg fahren und auf den Meeresgrund sinken würde. Was hätten sie wohl gesagt, wenn man ihnen berichtet hätte, dass das Schiff auch die Menschen im Jahr 2012 noch scheinbar endlos fasziniert?

In den kommenden Tagen gibt es in Southampton, am Bauplatz der "Titanic" in Belfast und an weiteren Orten zahllose Feiern. Einer der Höhepunkte soll ein Gedenken an der Stelle im Atlantik sein, an dem die "Titanic" sank. Dazu hatten sich am Osterwochenende mehr als 1000 Passagiere auf eine "Titanic"-Erinnerungskreuzfahrt begeben.

Für Southampton allerdings ist das alles andere als selbstverständlich. Jahrzehntelang wurde hier eher selten über die "Titanic" gesprochen. Der Schmerz saß wohl zu tief. Von den 1500 Toten hatten 550 eine Adresse in der englischen Küstenstadt. 1912 sagte man, jeder in Southampton kenne mindestens ein Opfer des Schiffsdesasters. So gut wie alle waren Teil der Crew. "Die "Titanic" hat Southampton einen schweren Schock versetzt, der viele Jahre anhielt", sagte "Titanic"-Expertin Vicky Green von der Stadtbibliothek.

Nachdem sie die Werft Anfang April in Belfast verlassen hatte, war die "Titanic" in Southampton beladen und mit Kohle und Lebensmitteln bestückt worden. Ein Großteil der Passagiere ging hier an Bord. "Das Erbe lastete lange auf der Stadt", erklärte Green. Ein neues Museum, das ebenfalls gestern eröffnet wurde, erzählt nun die Geschichte der Stadt und der "Titanic". dpa