Netzwerkdurchsetzungsgesetz Das Ende der Meinungsfreiheit?

Berlin · Am neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetz scheiden sich die Geister.

 Beatrix von Storchs Twitter-Acount wurde vorübergehend gesperrt.

Beatrix von Storchs Twitter-Acount wurde vorübergehend gesperrt.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Erst traf es die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch, nun das Satiremagazin „Titanic“: Wegen umstrittener Äußerungen wurden deren Twitter-Accounts vorübergehend gesperrt, einzelne Äußerungen wurden gelöscht. Von Storch hatte im Zusammenhang mit den Kölner Silvesterfeiern von „barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden“ gesprochen, die „Titanic“ hatte eben diesen Tweet durch den Kakao gezogen. Hintergrund ist das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das zum Jahreswechsel vollständig in Kraft getreten ist. Kritiker sehen dadurch die Meinungsfreiheit bedroht.

Wozu verpflichtet das neue Gesetz die Betreiber?

Sie müssen ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden bereithalten, das für Nutzer leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und jederzeit verfügbar ist. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen in der Regel innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde entfernt oder gesperrt werden. Ist die Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich, gilt im Grundsatz eine Sieben-Tages-Frist. Innerhalb dieser Zeit kann auch dem Urheber der gemeldeten Botschaft Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben werden. Eine Überschreitung dieser Frist ist möglich, wenn die Betreiber mehr Zeit für die rechtliche Prüfung benötigen.

Was geschieht, wenn die Betreiber Zweifel an der Strafbarkeit haben?

Sind sich die Betreiber nicht sicher, ob sie eine Botschaft tilgen müssen, können sie eine anerkannte Einrichtung der Selbstregulierung zu Rate ziehen. Diese muss gesetzliche Kriterien erfüllen, staatlich zugelassen sein und sich vom Bundesamt für Justiz überwachen lassen.

Welche Bußgelder drohen den sozialen Netzwerken?

Verstöße können mit einer Geldbuße von bis zu fünf Millionen Euro belangt werden. Bei juristischen Personen – also etwa Firmen – können es bis zu 50 Millionen Euro sein.

Welche Kritik gibt es an der Löschung von Inhalten?

Die AfD kritisiert die Neuregelung als „Zensurgesetz“, weil von Storchs Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Dies sehen die anderen Parteien zwar nicht so. Aber die Sorge wegen möglicher Zensur gibt es nicht nur bei der AfD. Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert die Sperrung des Titanic-Accounts als „vorauseilenden Gehorsam, um mögliche Geldstrafen nach dem Gesetz zu verhindern“. Zudem monieren viele Experten, die Entscheidung über die Löschung eines Inhalts dürfe nicht den Unternehmen überlassen werden. Die Anbieter der Plattformen sollten hier nicht „nach eigenem Gutdünken“ agieren dürfen, bemängelt etwa die Piratenpartei. Sie ist überzeugt davon, dass dafür ein Gerichtsbeschluss erforderlich sein sollte.

Wie geht die Justiz mit umstrittenen Aussagen um?

Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist keine strafrechtliche Bestimmung. Mögliche Strafen gegen die Urheber von Hassbotschaften sind weiterhin Sache der Justiz: So prüft etwa die Kölner Staatsanwaltschaft ein mögliches Verfahren wegen Volksverhetzung gegen von Storch.

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