Darf Politik witzig sein?
Berlin · Ironie in der Politik kann gefährlich sein. Diese Erfahrung macht jetzt auch Verteidigungsministerin von der Leyen. Ihren Scherz über „schießendes Personal“ für die Fußball-WM in Russland und Katar finden viele nicht lustig.
Die Frage war durchaus ernst gemeint. Die "Zeit"-Journalisten Peter Dausend und Tina Hildebrandt wollten am Ende eines langen Interviews mit Ursula von der Leyen wissen, ob es angesichts der aktuellen Krisen dabei bleiben könne, dass die nächsten Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 in Russland und Katar stattfinden sollen. Russland habe schließlich die Krim annektiert, und Katar werde die Finanzierung der Terrorgruppe Islamischer Staat vorgeworfen. Die Antwort von der Leyens fiel knapp aus: "Wo auch immer gespielt wird: Deutschland schickt schießendes Personal ." Das war ganz offensichtlich witzig gemeint, wurde aber von vielen nicht so verstanden.
Die bösen Kommentare im Internet ließen nicht lange auf sich warten. "Ins Knie geschossen", hieß es dort zum Beispiel oder: "Einfach zum Schießen!" Linken-Chef Bernd Riexinger führte den Hashtag #schiessendespersonal ein und schrieb: "Ich glaube nicht, dass ich über die Witze von Ursula von der Leyen lachen kann." Auch der Koalitionspartner konnte sich nicht darüber amüsieren. "Solche flapsigen Einlassungen sind in den gegenwärtigen Krisenlagen völlig fehl am Platze", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der "Frankfurter Rundschau".
Ironie in der Politik ist gefährlich. Es gibt fast immer jemanden, der sie nicht versteht. Das hat der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Wahlkampf schmerzlich erfahren. In einem Interview des Magazins der "Süddeutschen Zeitung" für die Serie "Sagen Sie jetzt nichts . . ." reagierte er auf die Frage nach den Spitznamen Pannen-Peer, Problem-Peer und Peerlusconi, indem er den "Stinkefinger" in die Kamera hielt. Die Meinungen darüber reichten von "Steinbrück disqualifiziert sich als Kanzlerkandidat" bis "Ironie muss sein".
Noch gefährlicher wird es aber mit der Ironie, wenn sie militärische Fragen betrifft. Das berühmteste Beispiel ist eine Äußerung des früheren US-Präsidenten Ronald Reagan . Der hatte 1984 bei einer Mikrofonprobe vor einer Radioansprache gesagt: "Liebe amerikanische Landsleute, ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass ich ein Gesetz unterzeichnet habe, das Russland für immer für vogelfrei erklärt. Wir beginnen in fünf Minuten mit der Bombardierung." Zwei Fernsehsender schnitten mit. Die Panne wurde später durch eine Indiskretion bekannt.
Mit von der Leyens Scherz ist das natürlich nicht vergleichbar. Trotzdem wird ihr der Vorwurf einer Verharmlosung aktueller Konflikte gemacht. Im Internet wird die Diskussion darüber aber kontrovers geführt. Auch diejenigen, die in den Kritikern Spaßverderber sehen, melden sich zu Wort. "Ironie gilt nicht umsonst als ein Test auf intellektuelle Reife und Intelligenz", schreibt einer von ihnen. "Einige können da mit Frau von der Leyen nicht mithalten und werden stattdessen lieber moralinsauer."
Die Ministerin selbst findet ihren Witz offensichtlich weiter lustig oder zumindest vertretbar. "Die Ministerin steht zu ihren Äußerungen", sagte ihr Sprecher Jens Flosdorff am Freitag. Regierungssprecher Steffen Seibert empfahl, die Äußerung nicht überzubewerten. Ob er sie angemessen findet, wollte er nicht verraten: "Ich habe doch hier keine Noten zu vergeben über Interviews, die Mitglieder der Bundesregierung geben."