Damit das TV-Duell zum Straßenfeger wird

Krawatte oder nicht? Stefan Raab lässt seine glänzenden Zähne kurz aufblitzen. „Kann sein“, frotzelt der Entertainer, „dass ich eine Krawatte anziehe, nur um Sie zu ärgern.

" Kann aber auch nicht sein. Der Schlips ist ja nicht gerade ein Markenzeichen Raabs, der politische Talk allerdings auch nicht. Im Studio B in Berlin-Adlershof, dort, wo am Sonntagabend ab 20.30 Uhr das mit Spannung erwartete TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) stattfinden wird, geht es für alle um weit mehr als nur die Krawatte.

Im Vorfeld hatte Steinbrück den 46-Jährigen noch brüsk als Moderator des TV-Duells abgelehnt. Vielleicht sei das genau der Grund gewesen, "dass ich hier stehe", stichelt Raab bei der Studiobesichtigung am Freitag. Auch er müsse sich an die Regeln halten. "Aber ich bin ein emotionaler Typ, kann sein, dass mir mal die Pferde durchgehen", kokettiert der Pro7-Showmaster. Das dürfte freilich schwierig werden. Das Korsett der eineinhalbstündigen Sendung ist eng: Fünf Themenblöcke werden abgehandelt, die den Kandidaten vor einer Woche zugeschickt wurden. Bei jedem Thema erhalten Kanzlerin und Herausforderer dieselbe Ausgangsfrage, die Antwortzeiten betragen 60 bis 90 Sekunden. Die erste Antwort darf Steinbrück geben, das letzte Wort hat Merkel. Darauf waren beide erpicht, also wurde gelost. Zwischen den Unterhändlern der Parteien und den Sendern wurde darüber ein Vertrag geschlossen, drei Seiten lang.

Maybrit Illner, die fürs ZDF fragt, rechnet mit "sehr spannenden 90 Minuten". Man habe den Ehrgeiz, Fragen zu stellen, "die provozieren". Illner und Peter Kloeppel von RTL sind ein Frageteam, wie schon bei vorherigen TV-Duellen. Raab wiederum bildet mit Anne Will von der ARD ein Pärchen. Will spricht von einem echten "Blockbuster", von einem "Straßenfeger". Die bisherigen Duelle schalteten schon mal 20 Millionen Zuschauer ein. Für die Moderatoren geht es dabei ebenfalls um einiges: Wer stellt die besten Fragen, wer hakt am Geschicktesten nach, wem gelingt es vielleicht, einen Kandidaten aus der Reserve zu locken? Darauf wird genau geachtet werden. Bei Raab allemal.

Neun Kameras sind im Studio B aufgebaut, wo der Schlagabtausch stattfinden wird. Eine kleine Arena ist entstanden. 200 Scheinwerfer sind in Stellung gebracht, blau ist die Kulisse, an zwei Pulten werden Kanzlerin und Herausforderer "im Abstand von 2,40 Meter zueinander" stehen, wie es in den Vorgaben heißt. "Auf den Pulten liegen Papier und Stift." Auf einem in den Boden eingelassenen Monitor sehen beide, wie lange sie schon geredet haben. Es wird ein Zeitkonto geführt, das alle 15 Minuten für den Zuschauer eingeblendet wird. Gegenüber stehen die vier Moderatoren. Um 19.15 Uhr wird die Kanzlerin in Adlershof erwartet, kurz danach der Herausforderer. 800 Journalisten und Gäste werden dann in einem großen Nachbarstudio den Wettkampf verfolgen. Die Parteien haben viel Prominenz aufgeboten, die nach der Sendung für den jeweiligen Kandidaten Stimmung machen soll. Alle vier Moderatoren gehen im Anschluss getrennt auf Sendung und werden den Schlagabtausch analysieren.

Beide Parteilager wissen: Beim Duell schauen Leute zu, die sich sonst kaum für Politik interessieren. Ganz zu schweigen von der Mobilisierung im eigenen Lager. Vor allem Raab soll junge Menschen vor den Fernseher locken. Die Kontrahenten nehmen das Aufeinandertreffen deshalb extrem ernst. Steinbrück hat seinen Terminkalender seit Freitag freigeräumt, Merkel ab Samstag. Abschalten, ausruhen, sich mit Beratern nochmals vorbereiten, das ist für das Wochenende geplant.

Bisher hat die Kanzlerin ihren Gegenspieler ignoriert. Am Sonntag geht das nicht, da ist Steinbrück auf Augenhöhe, und er wittert nach dem vermasselten Wahlkampfstart seine Chance. So wie Gerhard Schröder, der beim Duell 2005 ordentlich Punkte gegen Merkel gutmachen konnte. Steinbrück will kämpfen, heißt es aus seinem Umfeld. Merkel, sagen ihre Getreuen, will ruhig, sachlich agieren und sich nicht aus der Reserve locken lassen.

Ob die Strategien aufgehen werden? "Der Druck ist bei den beiden", fasst Anne Will zusammen. "Und es wäre echt gemein, wenn das Duell ähnlich langweilig wird wie der Wahlkampf."

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