CSU-Chef Seehofer und die Kanzlerin sind im Schicksal vereint

München · Nachdem Angela Merkel ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündigt hat, richten sich die Augen nun auf den CSU-Chef und Bundesinnenminister.

 Noch ist Horst Seehofer Bundesinnenminister und CSU-Parteivorsitzender.

Noch ist Horst Seehofer Bundesinnenminister und CSU-Parteivorsitzender.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es ist schon paradox: So zerstritten sie auch waren, das Schicksal hat Angela Merkel und Horst Seehofer aneinander gekettet. Über viele Jahre, fast Jahrzehnte hinweg. Vor allem in der vergangenen Dekade, seit sie parallel die Schwesterparteien CDU und CSU anführten, waren beide – und das trotz allen Streits – auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. Jetzt, nach den Wahlpleiten in Bayern und Hessen, hängt beider Schicksal mehr denn je zusammen: Nachdem die Kanzlerin ihren Verzicht auf den CDU-Vorsitz angekündigt hat, gilt vielen Christsozialen auch ein Verbleib Seehofers an der CSU-Spitze als undenkbar.

„Das kommt für uns alles ein Jahr zu spät“, sagt ein CSU-Vorstand zu Merkels Entscheidung. Wer sich seit der bayerischen Landtagswahl am 14. Oktober in der Partei umhört, spürt schnell, wie tief der Frust sitzt. Ohne Merkels Flüchtlingspolitik wäre die CSU niemals auf 37,2 Prozent abgestürzt, hätte sie vielleicht sogar nie ihre absolute Mehrheit verloren, mutmaßen viele Christsoziale. Wer sich den Ärger über Merkel anhört, erfährt aber auch, dass sich die Wut nicht nur gegen die CDU-Chefin richtet, sondern auch gegen Seehofer. Auffällig ist dabei, dass auf allen Ebenen mehr oder weniger bewusst ausgeblendet wird, dass die Partei Seehofers Kurs faktisch immer mitgetragen hat.

Nachdem die Frage zur Zukunft in der CSU seit der Wahl von den Koalitionsverhandlungen im Freistaat überdeckt wurde, ist sie nach der Hessen-Pleite der CDU wieder omnipräsent. Und nachdem Merkel ihrerseits ihren Abschied auf Raten verkündet hat, richten sich in der CSU die Blicke auf Seehofer. Parteiintern wird nach den Koalitionsverhandlungen in Bayern mit einer Entscheidung über seine Zukunft gerechnet. Dies könnte bereits am Wochenende der Fall sein. Seehofer will länger warten. Auch am Montag, unmittelbar nach Bekanntwerden des Merkel-Rückzugs, beharrte er auf dem bisherigen Zeitplan: Erst soll Markus Söder zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt, dann CSU-Europapolitiker Manfred Weber am 8. November in Helsinki zum EVP-Spitzenkandidaten für die Europawahl gekürt werden. Erst danach will Seehofer über seine persönliche Zukunft reden.

„Ich glaube erst, dass er das Amt aufgegeben hat, wenn sein Nachfolger gewählt ist“, spottet beinahe verzweifelt ein Parteivorstand. So oft habe Seehofer sich am Ende wieder gerettet, eine Hintertür gefunden. Doch dies scheint jetzt praktisch unmöglich. Oder? Tatsache ist, dass Seehofer keine großen Spielräume mehr hat. In den CSU-Bezirksverbänden laufen bereits die Planungen, sogar in der CSU-Landesgruppe hat Seehofer keine echten Unterstützer mehr, in der Landtagsfraktion ohnehin nicht.

In der CSU rechnen sie deshalb fest mit einem Sonderparteitag zur Wahl eines neues Parteichefs Anfang Dezember. Damit das möglich ist, muss Seehofer aber mitziehen. Seine Amtszeit endet erst Ende 2019, rechtlich sind der Partei ohne sein Zutun die Hände gebunden. Ein monatelanger offener Streit wäre die Folge. Der CSU bleibt daher nur das Prinzip Hoffnung. Mehrfach zeigte sich Seehofer in den vergangenen Tagen diskussionsbereit, auch personelle Konsequenzen schloss er nicht aus. Er sagte aber auch, dass er sich nicht alleine für die Lage der CSU verantwortlich machen wolle.

Um eine Schlammschlacht auf offener Bühne auf dem Parteitag zu verhindern, könnte Seehofer vorab seinen Rücktritt erklären. Dann müsste die CSU bis Anfang Dezember nur noch entscheiden, wer ihm folgen soll. Die größten Chancen werden seinem Dauerrivalen, dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, zugesprochen. Doch der hat bislang immer abgewunken, wenn es um den Posten des Parteichefs ging. Er betont gerne, dass seine Aufgabe in Bayern liege. Sollte Söder weiter Nein sagen, wäre Manfred Weber ein heißer Kandidat für den Vorsitz.

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