Chinas Führung warnt und belehrt die Welt

Peking. Die Partei hat immer Recht - selbst wenn sie nicht immer einer Meinung ist. So könnte das Fazit des Nationalen Volkskongresses lauten, dessen Jahrestagung gestern in Peking zu Ende gegangen ist. Zehn Tage lang konferierte Chinas 3000-köpfiges Kulissenparlament über die neuesten Richtlinien der Kommunistischen Partei und billigte sie schließlich mit 97 Prozent

Peking. Die Partei hat immer Recht - selbst wenn sie nicht immer einer Meinung ist. So könnte das Fazit des Nationalen Volkskongresses lauten, dessen Jahrestagung gestern in Peking zu Ende gegangen ist. Zehn Tage lang konferierte Chinas 3000-köpfiges Kulissenparlament über die neuesten Richtlinien der Kommunistischen Partei und billigte sie schließlich mit 97 Prozent. "Wir müssen immer voller Zuversicht sein", kommentierte Premier Wen Jiabao den bestellten Vertrauensbeweis. "Egal wie hoch ein Berg ist, man kann ihn immer besteigen." Dabei hatte sich in den vergangenen Tagen trotz aller zur Schau gestellter Einigkeit gezeigt, dass viele Grundsatzentscheidungen durchaus umstritten sind. Vor allem in der Wirtschaftspolitik traten die Differenzen offen zu Tage. So gestand Zentralbankchef Zhou Xiaochuan in ungewohnter Offenheit ein, dass Peking bewusst den Wechselkurs des Yuan manipuliere, um Chinas Konjunktur zu unterstützen. Diese "spezielle Yuan-Politik" müsse jedoch zu einem angemessenen Zeitpunkt beendet werden, um zu "normaler Wirtschaftspolitik zurückzukehren". Seine Aussagen hatte der Notenbanker aber offenbar nicht mit der Parteispitze abgestimmt, denn Premier Wen kassierte die Aufwertungsdebatte gestern. "Ich glaube, dass der Yuan nicht unterbewertet ist", erklärte der Regierungschef. Er wehrte sich damit entschieden gegen den Druck der USA und der Europäer, die chinesische Währung aufzuwerten. Auch andere Politiker scherten kurzfristig aus der Parteidisziplin aus. So zog Vize-Industrieminister Miao Wei die Weitsicht von Pekings Umwelt- und Klimaschutzpolitik in Zweifel. China investiert derzeit Milliarden in den Ausbau von erneuerbaren Energien, doch laut Miao ist ein Großteil des Geldes verschwendet. "Die meisten Windparks, die derzeit in China gebaut werden, sind reine Eitelkeitsprojekte", sagte der Minister. Uneinigkeit gab es auch beim Aufbau des Sozialsystems und bei der Änderung des Aufenthaltsrechts. Chinas Medien sehen darin einen Beweis für die Diskussionsoffenheit des politischen Apparats, doch einen transparenten Prozess, wie die Vorschläge und Einwände in den Gesetzgebungsprozess eingehen, gibt es nicht. Bedeutende Neuerungen brachte der Volkskongress nicht zutage. Vielmehr nutzte die Partei die öffentliche Aufmerksamkeit, um noch einmal mit ihren Kritikern ins Gericht zu gehen. So erneuerte Peking seine Angriffe gegen den US-Internetkonzern Google, der mit dem Rückzug aus China gedroht hatte, sollte er weiterhin zur Zensur seiner Suchergebnisse gezwungen werden. Google habe bei seinem Markteintritt "ein feierliches Bekenntnis zu Chinas Gesetzen" gegeben, erklärte der Sprecher eines parallel zum Volkskongress tagenden Beratungsgremiums. Mit seiner Kritik an China habe das Unternehmen "gegen unsere Praxis" verstoßen und müsse mit harschen Konsequenzen rechnen. Einem Bericht der "Financial Times" zufolge ist inzwischen aber zu "99,9 Prozent" sicher, dass Google seine Abzugsdrohung in die Tat umsetzen wird. Das Unternehmen hatte erklärt, die Zensurbestimmungen in China widersprächen internationalen Standards von Meinungsfreiheit. Dass Google damit nicht falsch liegt, wurde beim Volkskongress deutlich. Der Gouverneur der Provinz Hubei sorgte für einen Eklat, als er einer chinesischen Reporterin, die ihm eine unangenehme Frage gestellt hatte, kurzerhand das Diktiergerät wegnahm. Zum Abschluss des Kongresses forderten 210 prominente Journalisten und Intellektuelle öffentlich seinen Rücktritt. Öffentlichen Spott zog auch eine Beraterin der Kommunistischen Partei auf sich, die es öffentlich als unpatriotisch bezeichnet hatte, bei Abstimmungen gegen die Vorschläge der Regierung zu stimmen: "Weil ich mein Vaterland liebe, vermeide ich Unruhe und gebe keine Gegenstimme ab und enthalte mich auch nicht."

HINTERGRUNDTrotz der leichten Erholung der Weltwirtschaft hat Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao vor einem Rückfall in die Krise gewarnt. Die Schuldenprobleme einiger Länder, hohe Arbeitslosigkeit sowie schwankende Rohstoffpreise und Wechselkurse könnten zu "einer zweiten Talsohle in der Rezession" führen, sagte er zum Abschluss der Jahrestagung des Volkskongresses. Die Krise sei noch nicht bewältigt. "Es wird das schwierigste Jahr für Chinas Wirtschaft." Ein Rückfall könne vielleicht nur dann vermieden werden, wenn schnelle Entwicklung, Umstrukturierung und Inflationsbekämpfung gleichzeitig gelängen. Die Regierung gibt als Ziel acht Prozent Wachstum vor, doch erwarten Experten einen höheren Anstieg.dpa

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