Nach den Krawallen in Chemnitz Immer wieder Sachsen – wenn rechte Gewalt eskaliert
Chemnitz · Rechte Krawalle in aller Öffentlichkeit, das gab es in Sachsen schon öfter. Das rechte Potenzial im Freistaat ist groß. Allein der rechtsextremistischen Szene in Chemnitz rechnet der sächsische Verfassungsschutz 150 bis 200 Menschen zu.
Während die NPD in der Szene kaum eine Rolle spielt, tat sich bis zu ihrem Verbot im März 2014 vor allem die Vereinigung der Nationalen Sozialisten Chemnitz (NSC) hervor – unter anderem bei Aufmärschen am Jahrestag der Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg, wie es sie auch in Dresden gibt.
Nach dem Verbot organisierte sich die Szene in der Stadt neu. Ehemalige NSC-Mitglieder schlossen sich unter anderem der Partei Der dritte Weg oder subkulturellen Gruppen an, die in der rechtsextremen Musik- und in der Hooliganszene aktiv sind. Der sächsische Verfassungsschutzbericht von 2017 nennt vor allem die rechtsextremistischen Fan-Gruppierungen New Society und Kaotic aus dem Umfeld des Fußballclubs Chemnitzer FC. Ohnehin soll es einige „personelle Überschneidungen sowie gemeinsame Aktivitäten“ der Rechten mit Hooligans geben. Die Ultras von Kaotic waren es auch, die am Sonntag nach dem Tod eines 35-Jährigen am Rande des Stadtfests in Chemnitz zu der Kundgebung aufgerufen hatten, die dann eskalierte.
Insgesamt wurden in Chemnitz im vergangenen Jahr 160 rechtsextremistische Straftaten registriert, darunter sechs Gewalttaten. In ganz Sachsen waren es dem Verfassungsschutzbericht zufolge 1959 rechtsextremistische Straftaten, darunter 95 Gewalttaten. Mit 2,33 Straftaten pro 100 000 Einwohner lag Sachsen laut Statistik weit vorn im Länder-Ranking rechtsextremer Gewalt, wenn auch deutlich hinter Spitzenreiter Mecklenburg-Vorpommern mit 5,21 Straftaten (siehe Grafik).
Trotzdem: Es war Sachsen, das in den vergangenen Jahren immer wieder mit rechten Exzessen in die Schlagzeilen geriet. Etwa im August 2015, als ein rechtsradikaler Mob in Heidenau vor einem zum Flüchtlingsquartier umgerüsteten Baumarkt randalierte. Drei Nächte lang kam es zu Ausschreitungen. 30 Polizisten wurden verletzt. Im Jahr 2016 gab es gleich mehrere große Vorfälle: So im Januar in Leipzig, wo Hooligans und Rechtsextreme mit Äxten, Eisenstangen und Holzlatten den links-alternativen Stadtteil Connewitz überfielen. Menschen flüchteten aus Angst in Häuser und Bars. In Clausnitz blockierte im Februar ein aufgebrachter Mob einen Bus mit Flüchtlingen. Der Einsatz der Polizei, die Migranten gewaltsam aus dem Bus holte, sorgte für heftige Kritik. Im gleichen Monat jubelten Fremdenfeinde in Bautzen, als ein Flüchtlingsheim brannte – und behinderten die Löscharbeiten.
Vier Monate später attackierten in Polenz bei einem Volksfest drei Rechtsradikale zwei Bulgaren und einen Deutschen mit rumänischen Wurzeln. Der Hauptangeklagte kam für fast zehn Jahre hinter Gitter.