Chaos und Tränen im brennenden BangkokRote Hemden gegen gelbe

Bangkok. Um 13.27 Uhr Bangkoker Zeit beendet Nattawut Saikuar den Traum der Rothemden. "Ich weiß, dass es für einige von euch inakzeptabel ist", sagt Nattawut, einer der Anführer der Oppositionsbewegung. "Aber wir stoppen jetzt unseren Widerstand." Fassungslos nehmen die Rothemden die Nachricht auf, Frauen brechen in Tränen aus, wütende Männer erheben die Fäuste

 Während der Zusammenstöße mit der Armee läuft ein Anhänger der Rothemden an brennenden Reifen vorbei. Foto: dpa

Während der Zusammenstöße mit der Armee läuft ein Anhänger der Rothemden an brennenden Reifen vorbei. Foto: dpa

Bangkok. Um 13.27 Uhr Bangkoker Zeit beendet Nattawut Saikuar den Traum der Rothemden. "Ich weiß, dass es für einige von euch inakzeptabel ist", sagt Nattawut, einer der Anführer der Oppositionsbewegung. "Aber wir stoppen jetzt unseren Widerstand." Fassungslos nehmen die Rothemden die Nachricht auf, Frauen brechen in Tränen aus, wütende Männer erheben die Fäuste. Seit Anfang April haben sie das Geschäftsviertel Ratchaprasong im Herzen der thailändischen Hauptstadt in der Hoffnung besetzt, mit ihrem Protest Neuwahlen zu erzwingen. Als die Armee gestern mit Panzern in das Viertel vordringt, sehen die Anführer keine andere Möglichkeit mehr als die Aufgabe.

Tausende Rothemden ziehen sich auf einen Platz mitten in Ratchaprasong zurück, während das Militär die Barrikaden aus Reifen und Bambus überrollt. Eine dichte Rauchwolke hängt über dem besetzten Viertel, Armeefahrzeuge mit Maschinengewehren auf den Dächern bahnen sich den Weg zum Protestcamp. Mindestens sechs Menschen sterben bei Schusswechseln. Um weiteres Blutverhießen zu verhindern, kündigt Nattawut an, dass sich die Anführer den Behörden stellen würden: "Wir werden unsere Freiheit gegen eure Sicherheit tauschen." Ein weiterer Anführer, Jatuporn Prompan, sagt unter Tränen: "Wir möchten keine Toten mehr." Insgesamt starben bei den Protesten in den vergangenen Wochen mehr als 70 Menschen, mehr als 1700 wurden verletzt.

Nicht alle sind mit der Entscheidung der Anführer einverstanden. Drohend nähern sich mit Stahlrohren und Feuerwerkskörpern bewaffnete Männer der Bühne, von der Nattawut das Ende der Proteste verkündet hat. "Ich werde hier sterben", sagt der 45-jährige Thanarat Oad-rem. "Ich verlange seit langem Gerechtigkeit, mein ganzes Leben schon." In den folgenden Stunden erschüttern mehrere Explosionen Ratchaprasong. Kleine Gruppen von Demonstranten werfen Flaschen und Steine. Mehrere Gebäude gehen in Flammen auf, darunter die Börse, das größte thailändische Einkaufszentrum und der Sitz eines Fernsehsenders. Viele Rothemden, vor allem Frauen und Kinder, flüchten aus ihren Zelten im Protestcamp in einen nahe gelegenen Tempel. "Wir müssen uns irgendwo verstecken", sagt Chakkricth Kadeeluch. "Wenn wir rausgehen, werden wir vielleicht von der Armee getötet." Die 39-jährige Wanpamas Boonpun macht die Regierung von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva für das Chaos verantwortlich. "Warum brennen wir? Weil die Regierung uns unter Druck setzt", sagt sie. "Die armen Leute wollen einen Ministerpräsidenten, der gewählt ist."

Rücktritt der elitären Regierung von Abhisit und sofortige Neuwahlen - die zentralen Forderungen der Rothemden sind weiter aktuell. Doch der Wille, für sie zu kämpfen, schwindet. Noch am Mittwoch machen sich die ersten Menschen aus dem Protestcamp auf den Weg zurück in die ländlichen Regionen im Norden und Osten des Landes, aus denen die meisten der Rothemden stammen. Sie tragen Kochgeschirr, Zeltplanen, Ventilatoren - die Ausrüstung einer langen, aber ergebnislosen Blockade. "Jetzt ist es vorbei", sagt der 28-jährige Verkäufer Rosukorn Samakhut. "Wir wollen nach Hause."Hamburg. Das südostasiatische Königreich Thailand versinkt in Anarchie. Begonnen hatte die politische Krise 2006, als das Militär den Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra stürzte und ins Exil vertrieb. Wer sind die wichtigsten Akteure?

Viele der demonstrierenden Rothemden kommen aus dem armen Norden und Nordosten des Landes. In den fünf Thaksin-Jahren hatten sie von dessen Gesundheits- und Bildungspolitik profitiert und wurden so seine treuen Anhänger. Andere Rothemden sind Intellektuelle aus den städtischen Milieus. Sie verlangen den Rücktritt der angeblich illegalen Regierung von Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva und Neuwahlen.

Die Angehörigen des gegnerischen Lagers, die gelbe Hemden tragen, sind Königstreue, Geschäftsleute und Angehörigen der städtischen Ober- und Mittelschicht. Anders als die Rothemden sind sie erbitterte Feinde von Thaksin, zu dessen Sturz sie beigetragen hatten.

Die königstreue Armee konnte zunächst dem Aufruhr kein Ende bereiten. Anfangs hielt sie sich zurück. Gestern dann die Wende: Mit Soldaten und Panzerfahrzeugen rückte sie in den Stadtteil Bangkoks vor, in dem sich die Regierungsgegner seit Wochen verbarrikadiert hatten.

Die Integrationsfigur des Landes, König Bhumibol Adulyadej, schweigt zur Krise. Im April hat der 82-Jährige vor neu ernannten Richtern lediglich allgemein zur Erfüllung staatsbürgerlicher Pflichten aufgerufen. Vor acht Monaten musste Bhumibol in ein Krankenhaus gebracht werden, die genauen Gründe sind unbekannt.dpa

Meinung

Neuwahlen - so bald wie möglich

Von SZ-Redakteur

Peter Seringhaus

Offenbar hat die thailändische Regierung verstanden, dass sie nicht mit aller Macht gegen die revoltierenden Rothemden vorgehen kann. Sie hat mit dem Sturm auf die Barrikaden gewartet, bis die Zahl der Demonstranten zurückgegangen war. So wurde ein größeres Blutbad verhindert. Ein erstes Signal für einen neuen Kurs gegenüber der Opposition?

Der Aufstand der Rothemden in Bangkok scheint beendet zu sein, doch das Problem einer zerrissenen thailändischen Gesellschaft ist damit nicht gelöst. Die Kluft zwischen der armen Landbevölkerung und den eher wohlhabenden Städtern ist seit Jahren gewachsen. In einem politisch instabilen Land, in dem das Militär das letzte Wort zu haben scheint und der König als moralische Instanz kaum mehr wahrzunehmen ist, können nur saubere Neuwahlen gesellschaftliche Veränderungen einleiten. Viel Zeit bleibt nicht. Sonst steuert Thailand auf einen Bürgerkrieg zu - das auch ökonomisch verheerende Ende eines Urlaubs-Paradieses.

 Mit einem Großaufgebot brach die Armee den Widerstand der Oppositionsanhänger. Foto: dpa

Mit einem Großaufgebot brach die Armee den Widerstand der Oppositionsanhänger. Foto: dpa

 Während der Zusammenstöße mit der Armee läuft ein Anhänger der Rothemden an brennenden Reifen vorbei. Foto: dpa

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 Mit einem Großaufgebot brach die Armee den Widerstand der Oppositionsanhänger. Foto: dpa

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