Ceta ist noch lange nicht durch

Brüssel · Wie auch immer Karlsruhe entscheidet: Die Gegner des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens dürfen hoffen. Denn zumindest ein Nein liegt in der Luft.

In einigen EU-Staaten müssen dem Freihandelsabkommen Ceta nicht nur die nationalen, sondern auch die regionalen Parlamente zustimmen - zum Beispiel in Belgien. Dort haben die 75 Volksvertreter der französischsprachigen Wallonie bereits signalisiert, den Deal mit Ottawa scheitern lassen zu wollen. Morgen wird abgestimmt. Der Widerstand im ökonomisch rückständigen Landesteil des kleinen Benelux-Landes sitzt tief. Stahl- und Kohleindustrie fielen hier der Globalisierung zum Opfer. Die Ankündigung des Baumaschinen-Riesen Caterpillar, sein Werk in Gosselies bei Charleroi zu schließen und dabei 1400 Arbeitsplätze zu opfern, tat ein Übriges. "Wir wollen hier von Globalisierung und Freihandel nichts hören", tönte es immer wieder vor den Werkstoren. Inzwischen bemühen sich zwar Beamte der EU-Kommission, Unterstützung aus dem Fonds zur Milderung der Globalisierungsfolgen in die Region zu tragen. Ob das aber die Stimmung drehen kann, erscheint höchst zweifelhaft.

Doch was dann? In Brüssel verweist man darauf, dass für eine Annahme des Ceta-Abkommens im Kreis der Wirtschaftsminister eine qualifizierte Mehrheit (55 Prozent der Mitgliedstaaten, die 65 Prozent der EU-Bürger repräsentieren) reichen würde. Ohne Deutschland käme die nicht zustande, ohne Belgien aber schon. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn am Ende sind die Unterschriften aller 28 Staats- und Regierungschefs nötig - also eine Einstimmigkeit durch die Hintertüre. Belgiens Premier Louis Michel werde sich dann wohl eines Tricks bedienen, spekuliert man in Brüssel . Er könne das Abkommen notariell beglaubigen, aber im gleichen Atemzug erklären, dass er der Mehrheit der Minister nicht folgt.

Je nach Ausgang der Karlsruher Entscheidung und des Streits mit den Wallonen stellt sich allerdings ein sehr viel weitergehendes Problem: Darf die Kommission künftig noch im Namen aller EU-Länder Handelsgespräche führen? Die Brisanz könnte spätestens in einigen Monaten deutlich werden, wenn die Verhandlungen um den Brexit beginnen. Denn auch dabei geht es um die Handelsbeziehungen zwischen der EU und einem befreundeten Staat. Vereinbarungen über den Zugang Londons zum europäischen Binnenmarkt sind genau genommen nichts anderes als alles, was Ceta beinhaltet. Beobachter spekulieren schon, ob Brüssel im Fall einer Ablehnung des Vertrages mit Kanada durch das Bundesverfassungsgericht oder die Wallonen ihre Handelsabteilung nicht dichtmachen solle. Denn neue Gespräche mit anderen Partnern seien dann praktisch ohne Perspektive.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort