CDU und SPD wechseln bei der Integration die Tonlage
Berlin. In den Zentralen von Union wie SPD gingen in der letzten Woche zahlreiche Zuschriften ein, die dem Noch-Bundesbanker Thilo Sarrazin bei seinen Thesen über die Ausländer in Deutschland mehr oder weniger offen zustimmten und die angebliche "Hetzjagd" gegen ihn verurteilten. Bei der CDU waren es rund 300, bei der SPD, deren Mitglied Sarrazin noch ist, etwa 2000
Berlin. In den Zentralen von Union wie SPD gingen in der letzten Woche zahlreiche Zuschriften ein, die dem Noch-Bundesbanker Thilo Sarrazin bei seinen Thesen über die Ausländer in Deutschland mehr oder weniger offen zustimmten und die angebliche "Hetzjagd" gegen ihn verurteilten. Bei der CDU waren es rund 300, bei der SPD, deren Mitglied Sarrazin noch ist, etwa 2000. Das zeigt Wirkung. Nachdem sich die Auseinandersetzung um die Person etwas gelegt hat, wollen die Berliner Politiker nun verstärkt über die Sache reden. Dabei wird ein Wechsel der Tonlage deutlich: Die Probleme des Zusammenlebens von Deutschen und Ausländern rücken stärker in den Vordergrund. Den Anfang machte Kanzlerin Angela Merkel am Freitag in der türkischen Zeitung "Hürryet": Es gebe, schrieb die CDU-Vorsitzende in einem Gastbeitrag, in Berliner Bezirken wie Kreuzberg oder Neukölln viele Menschen ausländischer Herkunft, die gut integriert seien. "Wenn man ehrlich ist, sieht man dort aber auch vieles, das zeigt: Wir haben in der Bildungs- und Sozialpolitik noch einen langen Weg vor uns." Man müsse, so die Kanzlerin, die Probleme klar benennen, dürfe aber Fortschritte nicht verschweigen.Ähnlich äußerte sich auch CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Er sagte der SZ, nach der Entscheidung der Bundesbank, die Entlassung von Sarrazin zu beantragen, sei es jetzt an der Zeit, "dass wir uns dem eigentlichen Thema widmen". Unter der Führung der Union seien in den letzten Jahren zwar schon wichtige Schritte in der Integrationspolitik unternommen worden. "Wir wissen aber auch, dass es Missstände gibt, die in der Bevölkerung für Unzufriedenheit sorgen. Diese nehmen wir ernst". Eine "Diskussion ohne Tabus" fordert der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Wolfgang Bosbach. Es gebe neben millionenfach gelungener Integration "zu viele Fälle von Integrationsverweigerung". Unmittelbar am Zug ist zunächst die zuständige Staatsministerin Maria Böhmer (CDU). Sie plant nach SZ-Informationen noch für dieses Jahr die Einberufung eines Integrationsgipfels. Es wäre der erste unter der schwarz-gelben Regierung, der vierte seit 2005. Böhmer erklärte, es gelte nun, das Vertrauen zwischen Einheimischen und Zuwanderern wieder aufzubauen. Sarrazin habe ein Zerrbild gezeichnet, das die Erfolge komplett ausblende. Als Beispiele nannte ihr Amt verpflichtende Eingliederungskurse für Zuwanderer oder Sprachtests an den Schulen. Jedoch blieben Sprache, Bildung und Arbeitsmarkt die "Großbaustellen", sagte Böhmer. Deutlich andere Töne als bisher werden auch in der SPD angeschlagen, die Sarrazin jetzt aus der Partei ausschließen will. Generalsekretärin Andrea Nahles (Foto: ddp) verteidigte den bei vielen Stammwählern durchaus umstrittenen Schritt in einem Brief an alle Mitglieder, der am Donnerstag versandt wurde und unserer Zeitung vorliegt: Sarrazin habe Grenzen überschritten und sich außerhalb der Wertegemeinschaft der SPD gestellt. Aber, räumte Nahles zugleich ein, in der Integration liege tatsächlich vieles im Argen. "In diesem Punkt geben wir Sarrazin recht." Eine kritische Debatte über Fortschritte wie über Probleme der Integration sei "dringend geboten". So gebe es teilweise noch erhebliche Bildungs- und Sprachdefizite. "Und wir dulden auch keine Parallelgesellschaften." Die SPD hatte Anfang des Jahres sechs "Zukunftswerkstätten" gegründet. Eine davon widmet sich dem Thema Integration. Sie soll nun verstärkt Veranstaltungen durchführen, hieß es im Willy-Brandt-Haus. "Wir dulden keine Parallel-gesellschaften."Andrea Nahles,Generalsekretärinder SPD