CDU im Rausch: „Oh, wie ist das schön“

Es ist ihr Tag. Selbst ihr so überaus scheuer Ehemann Joachim Sauer ist ausnahmsweise mit ins Konrad-Adenauer-Haus gekommen.

Er steht an der Seite der Bühne, seine Blicke auf seine Frau haben etwas Bewunderndes, bei ihm ist sogar ein Hauch von Rührung erkennbar. Es ist 18.45 Uhr, die Wahllokale sind gerade einmal eine Dreiviertelstunde geschlossen, als Angela Merkel, die große Siegerin der Bundestagswahl, das Podium erklimmt. "Angie, Angie", rufen ihre Anhänger frenetisch. Zwei Minuten lang hält der Jubel an, Freude pur lässt sich im Gesicht der Kanzlerin ablesen. Die Parteizentrale bebt.

Fraktionschef Volker Kauder drückt Angela Merkel hemmungslos und so fest, dass es ihr schon wieder unangenehm wird da oben auf der Bühne. Generalsekretär Hermann Gröhe neben ihr bekommt sein Grinsen nicht mehr ausgeknipst. Er ist der Wahlkampfmanager, der Sieg ist auch sein Erfolg. Und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bemüht nur Superlative: "Überwältigend", "unglaublich", "fantastisch", zieht die stellvertretende Parteichefin jauchzend von Kamera zu Kamera. "Das habe ich nicht erwartet", ist der Satz, der in der CDU-Zentrale am häufigsten fällt. Sicher, 40 Prozent plus X war mal wieder als Ziel ausgegeben worden. Doch in den vergangenen Jahren war es immer so, dass das Ziel nicht erreicht wurde. 2009 holte die Union unter Merkels Führung nur 33,8 Prozent, 2005 waren es 35,2 Prozent. Jetzt sind es stolze 42 Prozent geworden. "Das ist das beste Ergebnis seit 1990 für uns", sagte von der Leyen freudestrahlend. Merkel gelingt an diesem Abend aber noch mehr als ein grandioser Wahlsieg - endlich scheint sie auch das Herz ihrer Partei vollends für sich gewonnen zu haben. So glückselig wirken viele der 2500 Gäste bei der Wahlparty.

Die Strategie der CDU, im Wahlkampf ganz auf Merkel zu setzen, ist voll aufgegangen. "Oh, wie ist das schön", singen sie schon, als um 18 Uhr die erste Prognose über die Bildschirme flimmert. So laut, dass es auch im Präsidiumszimmer gehört wird, wo die Kanzlerin, die CDU-Spitze, enge Vertraute aus dem Kanzleramt und der familiärer Anhang die Zahlen verfolgen. Um 17.15 Uhr ist Merkel mit ihrer Kolonne in die Tiefgarage des Konrad-Adenauer-Hauses gerauscht. Zu diesem Zeitpunkt weiß sie schon, dass die Wahl gut laufen wird. Mit der Prognose verschwindet jegliche Anspannung oben bei den CDU-Granden. "Wir können uns heute alle freuen", ruft Merkel anderthalb Stunden später auf der Bühne. "Das ist ein Super-Ergebnis. Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen", verspricht sie. Noch sei es aber "zu früh, um genau zu sagen, wie wir vorgehen".

Kein Wort zur FDP, ihrem bisherigen Koalitionspartner. Kein Wort dazu, dass Schwarz-Gelb auch abgewählt worden ist. Kein Wort dazu, mit wem sie nun regieren will. Als das Ergebnis der Liberalen bekannt gegeben wird, müssen einige in der CDU-Zentrale schlucken. Viele sagen jedoch: "Die sind selbst schuld." Der Traum von der absoluten Mehrheit verdrängt dann auch schnell das bisschen Mitleid für die FDP. Es wird gewitzelt: "Für eine absolute Mehrheit hätten wir gar nicht genug Personal."

Wie auch immer die Wahlnacht enden sollte: Wenn es bald an Koalitionsgespräche geht, müssen die Schwesterparteien CDU und CSU ihr Verhältnis justieren. Denn auch das Selbstbewusstsein der CSU ist (nochmals) mächtig gestiegen, seitdem sie bei der Landtagswahl vor einer Woche die Alleinregierung in Bayern zurückerobern konnte. Nach den obligatorischen Beteuerungen der Geschlossenheit im Wahlkampf stehen zwischen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer jetzt jedenfalls einige Klärungen an. Ausgerechnet die beiden Spitzenleute höchstpersönlich haben dafür gesorgt, dass sich ein altbekanntes Thema zu einer heiklen Frage der Glaubwürdigkeit hochschaukelte. Die bayerischen Wähler im Blick, versprach Seehofer ultimativ, im Bund keinen Koalitionsvertrag ohne eine Pkw-Maut für Ausländer zu unterzeichnen. Merkel hielt den Ball lange flach, sah sich dann aber doch genötigt, ebenso ultimativ dagegenzuhalten: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben." Wie eine von Merkel angekündigte Lösung aussehen könnte, ist ungewiss. Einträchtig hohe Priorität legen CDU und CSU dagegen auf ein Anliegen, das in der schwarz-gelben Koalition nicht zustande kam: Rentenverbesserungen für Mütter, die vor 1992 Kinder bekommen haben.

So strahlend Merkels Ergebnis gestern auch war: Es könnte eine dritte Kanzlerschaft werden, die sie zum Nachdenken über den besten Zeitpunkt für einen Ausstieg bewegt - wenn sie selbstbestimmt aufhören und sich nicht abwählen lassen will.

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