Bundesregierung will Abstand zur Windkraft

Es ist ein „Vernichtungsfeldzug“ gegen die schönen Landschaften in Deutschland, meint M arkus Pflitsch von der Initiative Windradfreies Dietramszell. Im Raum 3101 des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses in Berlin zeigt er das Bild eines Dorfes, das von Windmühlen „umzingelt“ ist.

"Möchten Sie so leben?", fragt er die Bundestagsabgeordneten. Er warnt vor tausenden "Monster-Windrädern": Nach den jetzigen Ausbauplänen würde in Deutschland alle 7,3 Kilometer ein Windpark errichtet.

Bei der Anhörung im Umweltausschuss des Bundestags am gestrigen Mittwoch geht es um ein hoch umstrittenes Gesetz der Bundesregierung. Den Gegenpol zu Markus Pflitsch bildet dabei Hilmar von Lojewski von der Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände. Er warnt: Wenn die Länder künftig wie geplant einen Mindestabstand von bis zu zwei Kilometern zwischen Windrad und Wohngebieten festlegen dürfen, könnten statt auf 15 bis 20 Prozent der Fläche in Deutschland nur noch auf einem Prozent Windräder aufgestellt werden.

Im Juli 2013 hatten Bayern und Sachsen eine "Faktor 10"-Regelung vorgeschlagen: Der Abstand zur Wohnbebauung soll das Zehnfache der Windradhöhe betragen - bei 150 Metern Höhe wären das 1,5 Kilometer, bei 200 Metern zwei Kilometer. Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) betonte, er wolle keine "Verspargelung" Bayerns. Er befürchtet eine "Umzingelung" bayerischer Dörfer. denn bisher legen die Kommunen meist nur einige Hundert Meter als Abstand fest.

Nach der Bundestagswahl kam der Plan dann wieder aus der Schublade: Schwarz-Rot beschloss am 8. April auf Druck Bayerns eine Änderung im Baugesetzbuch mit einer sogenannten Länder-Öffnungsklausel. Wie groß der Mindestabstand sein soll, bleibt demnach den Ländern überlassen. Doch lässt sich dann noch das Ausbauziel von 2500 Megawatt an neuen Windrädern pro Jahr erreichen? Schließlich soll zuvorderst die Windkraft an Land den Atomausstieg abfedern. Ende 2013 waren in Deutschland 23 645 Windräder mit 33 730 Megawatt Leistung installiert, der Anteil an der Stromproduktion betrug rund 8,5 Prozent.

Zum 1. August soll die Öffnungsklausel greifen - wenn nicht der Bundesrat das Gesetz blockiert: Fachausschüsse empfehlen eine Ablehnung. Auch mehrere Sachverständige haben Bedenken. Der Jurist Ulrich Battis von der Kanzlei Gleiss/Lutz verweist auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach für die Windkraftnutzung in Deutschland "substantieller Raum" verbleiben müsse. Diese Vorgabe könne mit dem Gesetz nun ausgehebelt werden.

Battis stellt zudem ernsthaft infrage, "ob das Ausbauziel der Bayerischen Staatsregierung, den Anteil der Windkraft an der Stromversorgung bis 2021 auf sechs Prozent zu erhöhen, eingehalten werden kann". Die Bundesländer könnten zudem verfassungswidrig in die Planungshoheit der Kommunen eingreifen.

Der Windenergie-Verband, der Energiedachverband BDEW und der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau kritisieren, in vielen Regionen könnten keine Anlagen mehr gebaut werden. Es gebe mit dem Immissionsschutzgesetz bereits rechtliche Regelungen zum Lärmschutz und für Abstände zu Häusern. "Im Allgemeinen werden Mindestabstände zwischen 500 und 1000 Metern zum Schutz der Wohnbevölkerung von der Rechtsprechung als hinreichend angesehen", heißt es in der Stellungnahme für den Ausschuss.

Auch Städtetag, Landkreistag und Städte- und Gemeindebund laufen Sturm: Sie befürchten, dass der Windkraftausbau in die Bundesländer verlagert wird, wo keine Abstandsregelungen beschlossen würden. Damit könne ort könne die Akzeptanz der Energiewende bei den Bürgern dann stark sinken. Denn es wäre schwer nachvollziehbar, "warum manche Länder zu Lasten anderer ihr Gebiet von Windkraftanlagen ‚freihalten' dürfen".

Für die Umweltausschuss-Vorsitzende Bärbel Höhn (Grüne) ist das Gesetz "maximaler Humbug", sie spricht von einer "Lex Seehofer". Der Ministerpräsident wolle damit den Windkraft-Ausbau bremsen. Höhn fordert einen Stopp des Gesetzes durch die Kanzlerin: ."Frau Merkel muss endlich auf den Tisch hauen." Die bayerische Staatsministerin Christine Haderthauer (CSU) kontert: Die Energiewende könne nur mit der Akzeptanz der Bürger vor Ort gelingen. Deshalb müsse man Entscheidungsspielräume beim Ausbau schaffen.

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