Bruderzwist

Auf die spannende Frage, ob denn der große Bruder Volker auf den geplanten Rauswurf seines kleinen Bruders Siegfried aus der CDU noch reagieren werde, antwortete gestern der Sprecher des mächtigen Unions-Fraktionsvorsitzenden knapp und unmissverständlich: „Nein.“ Volker Kauder will jetzt lieber schweigen.

 Fotos: dpa

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Denn mit der Bruderliebe ist das so eine Sache. Insbesondere wenn beide im Alter sehr nah beieinander (63 und 62), im Wesen aber sehr verschieden sind.

Diese Kauders. Volker und sein Bruder Siegfried haben es - soweit bekannt ist - noch nie leicht miteinander gehabt. Jetzt ist es besonders schwierig. Beide sind Bundestagsabgeordnete der CDU. Aber während Volker beste Aussichten hat, auch nach der Wahl Chef der Unionsfraktion zu bleiben oder vielleicht sogar Minister zu werden, ist gegen Siegfried ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet worden.

Dessen Kreisverband hatte im November einen anderen Kandidaten für die Bundestagswahl bestimmt. Siegfried Kauder entschied sich deshalb gegen alle Widerstände für eine unabhängige Kandidatur. Am Donnerstagabend wurde das Ausschlussverfahren beschlossen.

Ein solches Vorgehen hatte auch sein Bruder befürwortet: Gegen einen von der CDU aufgestellten Kandidaten anzutreten und gleichzeitig Parteimitglied bleiben zu wollen - "unabhängig von Familienzugehörigkeiten muss ich klar sagen: Das geht nicht", hatte er vor wenigen Wochen unserer Zeitung erklärt. Beobachter mutmaßen, dass dies der Höhepunkt eines schon lange schwelenden Bruderzwistes ist, auch wenn Siegfried gestern beteuerte, den gebe es nicht. Bei dieser Geschichte, die in der Provinz spielt und normalerweise kaum wahrgenommen worden wäre, geht es aber um etwas Größeres. Angela Merkels engster Vertrauter ist betroffen - und das Drama vom schwierigen Verhältnis der beiden Brüder ist in Berlin wieder in aller Munde.

Beide sind seit mehr als 45 Jahren in der CDU. Volker Kauder kann kämpferisch sein, er ist aber auch ein Mensch der Rücksichtnahme, geprägt von seinem christlichen Menschenbild. Siegfried Kauder gilt als unerbittlich, wenn er sich im Recht fühlt. Und das ist oft der Fall. Sein Charakter wird als schwierig beschrieben. Legendär sind die öffentlichen Auseinandersetzungen der Kauder-Brüder auf offener Bühne baden-württembergischer Landesparteitage.

Unter der Kuppel des Reichstages setzte sich das fort. Siegfried Kauder folgte in mehreren Fällen seiner eigenen, nicht aber der Fraktionslinie. Als Vorsitzender des Rechtsausschusses ließ er sogar einen Gesetzentwurf der Opposition zu Frauenquoten in Aufsichtsräten passieren, der die Kanzlerin und die gesamte Union in Bedrängnis brachte. Bruder Volker soll vergrätzt gewesen sein, ist die Loyalität zu Merkel für ihn doch oberstes Gebot.

Manch einer in Berlin psychologisiert nun, dass Siegfried darunter gelitten habe, dass Volker ihm immer einen Schritt voraus gewesen ist. Der Jüngere habe deswegen häufig versucht, sich zu profilieren, dabei jedoch vielfach die Nerven seiner Kollegen strapaziert. Auf der anderen Seite hat er sich aber auch Respekt bei Freund und Feind erarbeitet. Wenn er beispielsweise im BND-Untersuchungsausschuss eine knifflige Angelegenheit verfassungsrechtlich bewertete, wurde dies ernst genommen.

Inzwischen ist auch immer wieder die Rede davon, Siegfried habe sich sehr verändert. Man komme nicht mehr an ihn heran. Auf die Frage, ob er mit seinem Bruder über die Ereignisse im Wahlkreis gesprochen habe, antwortete Volker Kauder damals der SZ: Er habe es versucht, "aber ich habe ihn nicht erreichen können". Das muss nicht nur telefonisch gemeint gewesen sein.

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