Bremer Anwalt streitet für die Opfer von Kundus

Bremen. Von seinem Büro blickt Karim Popal direkt auf den Bremer Weihnachtsmarkt. Durchs geöffnete Fenster weht der Geruch von gebrannten Mandeln und Glühwein, Musik klingt von der Straße herauf. Doch von festlicher Stimmung ist bei dem Anwalt nichts zu spüren

Bremen. Von seinem Büro blickt Karim Popal direkt auf den Bremer Weihnachtsmarkt. Durchs geöffnete Fenster weht der Geruch von gebrannten Mandeln und Glühwein, Musik klingt von der Straße herauf. Doch von festlicher Stimmung ist bei dem Anwalt nichts zu spüren. Seitdem er Entschädigung von der Bundesregierung für den verheerenden Luftangriff in Afghanistan fordert, klingelt sein Telefon unablässig. In dieser Woche wird Popal erneut nach Kundus reisen, um sich mit seinen Mandanten zu treffen. Für die Familien der Opfer will er notfalls in Deutschland vor Gericht ziehen.

In den vergangenen Monaten flog der 50-Jährige dreimal in die nordafghanische Provinz. In einem kleinen Dorf unweit des deutschen Bundeswehrstützpunktes sammelten er und seine Kollegen Beweise dafür, dass bei dem Militärschlag am 4. September nicht nur Taliban, sondern auch viele Unschuldige ums Leben kamen. 179 getötete oder verletzte Opfer will Popal gezählt haben, darunter 36 Kinder und Jugendliche.

Der Anwalt greift nach einem dicken Ordner, in dem Ausweise, Fotos und Wahlkarten von den Opfern abgeheftet sind. Er holt die Papiere von drei iranischen Männern und einem Jungen heraus. "Wie kann ein Flüchtling aus dem Iran ein Taliban sein? Oder diese kleinen Kinder?" Popal deutet auf die Passbilder von drei Jungen und schüttelt ungläubig den Kopf. Dass der deutsche Oberst Georg Klein die Bombardierung der zwei entführten Tanklastzüge anordnete, macht ihn noch immer fassungslos. "Als ich davon gehört habe, war ich schockiert. Ich hätte nie gedacht, dass im Auftrag der Bundesregierung so was passieren kann." Sein Engagement für die Hinterbliebenen nennt er einen humanitären Einsatz: "Ich fühle mich verpflichtet, was für meine alte Heimat zu tun." 1979 kam Popal als 19-Jähriger aus Afghanistan nach Deutschland - allein und ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. "Natürlich war das damals hart." Trotzdem biss er sich durch und studierte Jura.

Heute sitzt Popal in Anzug und Weste in seiner Kanzlei hinter einem großen Schreibtisch, auf dem sich neben den Fotos seiner drei Söhne die Akten türmen. "Wenn ich in Afghanistan bin, fühle ich mich als Deutscher. Wenn ich in Deutschland bin, fühle ich mich den Afghanen verbunden."

In den vergangenen Jahren war Popal viele Male in seinem Geburtsland, um im Auftrag des Max-Planck-Instituts in Heidelberg Richtern, Anwälten und Polizisten die Grundlagen des Rechtsstaats beizubringen. Auch diesmal gehe es ihm darum, die Menschen für die Demokratie zu gewinnen, betont er. Doch in dem Dorf wollten sie mit ihm, dem Deutschen, nicht sprechen. Erst nach viel Überzeugungsarbeit hätten die Bewohner Vertrauen gefasst. "Eine Witwe sagte zu mir: ,Wenn ich ein Mann wäre, wäre ich jetzt in den Bergen und würde gegen euch kämpfen.'" Nach Ansicht von Popal haben der Luftangriff und die enge Zusammenarbeit mit der US-Armee dem deutschen Ansehen in Afghanistan sehr geschadet. Den Rücktritt von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und den beschlossenen Untersuchungsausschuss hält er deshalb für notwendig.

Die Reisen nach Afghanistan finanziert Popal aus der eigenen Tasche. Auch von seinen Mandanten wird er kein Geld sehen. "Es geht mir nicht um das Honorar." Trotzdem macht sich der Fall für ihn bezahlt: Die Aufmerksamkeit der Medien ist ihm jetzt schon gewiss.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort