Blütenträume in Südafrika

Kapstadt. "Was jetzt geschieht, wird darüber entscheiden, wie die Welt Südafrika künftig wahrnimmt," sagt Paul Bannister, Chef des "International Marketing Council of South Africa". 2010 gehe es um mehr als um Fußball: Die WM biete "dem Land und dem Kontinent eine phänomenale Möglichkeit, sich zu präsentieren und zu vermarkten"

Kapstadt. "Was jetzt geschieht, wird darüber entscheiden, wie die Welt Südafrika künftig wahrnimmt," sagt Paul Bannister, Chef des "International Marketing Council of South Africa". 2010 gehe es um mehr als um Fußball: Die WM biete "dem Land und dem Kontinent eine phänomenale Möglichkeit, sich zu präsentieren und zu vermarkten". Staatspräsident Jacob Zuma erklärte in seiner Neujahrsanspruche, mit der WM werde ein Ruck durch Südafrika gehen. Im Weltmeisterschaftsjahr 2010 will das Land am Kap denn auch sein Image drastisch verändern: Es will der Welt die schönen Seiten Südafrikas zeigen, sich als touristische Top-Destination präsentieren, als Land, in dem sich Investitionen auszahlen, das politisch stabil, sicher und zukunftsträchtig ist. Südafrika will zum Markenzeichen werden. Schreckensnachrichten über Morde, Überfälle, fremdenfeindliche Ausschreitungen, revoltierende Soldaten sollen Vergangenheit sein. Über zwei Milliarden Rand (200 Millionen Euro) pulvern Regierung und Wirtschaft derzeit nach Angaben der gut informierten Wochenzeitung "Mail & Guardian" in eine internationale Image-Kampagne.

Der terroristische Anschlag auf die togolesische Nationalmannschaft beim Afrika-Cup in Angola hat Südafrikas offizielle Fußballwelt aber jäh aus den Blütenträumen gerissen. Die Antwort "Südafrika ist nicht Angola" konnte nur vordergründig beruhigen: Denn auch Südafrika hat trotz aller gegenteiligen Beteuerungen ein Terrorismus-Problem.

Südafrika gilt Sicherheitsdiensten als Ruhe- und Versorgungsraum für al Qaida und die somalische Terrorgruppe al Shabaab. Der US-Sicherheitsexperte Mark Schroeder glaubt dennoch, dass "die Kriminalität und nicht der Terror die Hauptgefahr für Touristen ist". Zwar rüstet Südafrikas Polizei auf: Bis zu 50 000 zusätzliche Polizisten werden gesucht. Rund 195 000 werden zur Sicherung von Spielern und Fans eingesetzt. Doch mit rund 50 Morden am Tag, mit Überfällen und Vergewaltigungen ist Südafrika nach wie vor eines der gefährlichsten Länder der Welt. Die größte Oppositionspartei Südafrikas, die Demokratische Allianz (DA), fürchtet bereits, dass die Kriminalstatistik im Vorfeld der WM frisiert wird. Zudem ist die Polizei selbst ein Teil des Problems: korrupt, unterbezahlt und schlecht ausgebildet. Die zunehmende Arbeitslosigkeit sorgt zunehmend für Unruhe. Denn die ersten Arbeiter, die auf den WM-Baustellen einen Job gefunden haben, stehen wieder auf der Straße. Der Soziologe Dale McKinley warnt bereits, dass vom Fußballfest nur die profitieren, die ohnehin schon reich seien. Danach würden die sozialen Spannungen steigen. Doch wer jetzt die WM kritisiere, werde sofort als rassistisch und Afro-pessimistisch abgestempelt.

Meinung

Vom schönen Schein

Von SZ-Mitarbeiter

Karl-Ludwig Günsche

Südafrika schwankt knapp sechs Monate vor dem Anpfiff zur Fußbal-WM 2010 zwischen Euphorie und Hysterie. Politiker und Sportfunktionäre reden sich die Situation schön, klammern die Probleme vorerst einfach aus. Kurzzeitig wird das sicherlich gelingen: Die Welt wird in Südafrika voraussichtlich auch ein rauschendes Fußball-Fest erleben. Seine Probleme werden das Land am Kap aber spätestens nach dem Abpfiff einholen: Kriminalität, Armut, Aids, Arbeitslosigkeit, ein marodes Bildungs- und Gesundheitssystem. In den Armenvierteln wächst die Wut der Zukurzgekommenen - und das ist die Mehrheit. Wie tief die Krise Südafrikas wirklich ist, wird sich wohl erst nach der WM zeigen. Doch dann sind die Scheinwerfer der Welt wieder abgeschaltet.

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