Blitzstart im Oval Office

Unmittelbar nach der Vereidigung Barack Obamas klettern 20 Vertraute des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten in die bereitstehenden Kleinbusse. Während die letzten Möbel von George W. Bush aus dem Weißen Haus getragen werden, bereiten sie im Westflügel den Politikwechsel vor. Obama hält Wort, im Oval Office vom ersten Tag an die Weichen in der Innen- und Außenpolitik der USA neu zu stellen

Unmittelbar nach der Vereidigung Barack Obamas klettern 20 Vertraute des neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten in die bereitstehenden Kleinbusse. Während die letzten Möbel von George W. Bush aus dem Weißen Haus getragen werden, bereiten sie im Westflügel den Politikwechsel vor. Obama hält Wort, im Oval Office vom ersten Tag an die Weichen in der Innen- und Außenpolitik der USA neu zu stellen. Nach dem Gottesdienst in der National Cathedral trifft sich der 44. US-Präsident heute zunächst mit seinem wirtschaftspolitischen Berater-Team. Ein klares Signal, das die Entschlossenheit Obamas unterstreicht, das auf inzwischen 900 Milliarden Dollar angewachsene Konjunktur-Paket bis spätestens Mitte Februar unter Dach und Fach zu bringen. Anschließend kommt er mit den "Joint Chiefs of Staff" zusammen, um den Militärs - wie im Wahlkampf versprochen - "am Tag 1 eine neue Mission zu geben". Dazu gehört der Beginn des Rückzugs aus dem Irak innerhalb von 16 Monaten und die Verstärkung der US-Truppen in Afghanistan. In Kürze erwartet wird zudem die Ernennung eines Sonderbeauftragten für Nahost, der sich dann sehr schnell in den Gaza-Konflikt einschalten könnte. Im Gespräch für die Position sind die beiden erfahrenen Unterhändler Dennis Ross und George Mitchell. Mehr als symbolische Bedeutung haben auch die Präsidentenbefehle, mit denen Obama gravierende Teile der Politik seines Amtsvorgängers rückgängig machen will. Seit Tagen schon schwirren Spekulationen umher, der "Commander in Chief" werde unmittelbar die Order geben, das Gefangenenlager von Guantanamo zu schließen und Folter unmissverständlich aus dem Repertoire der US-Regierung zu verbannen. Ganz vorne auf der Liste steht auch ein Ende des Banns der Finanzierung von Stammzellenforschung aus Mitteln der Regierung. "Sie werden jemanden erleben, der schnell zur Sache kommt", prophezeit Obamas rechte Hand im Weißen Haus, David Axelrod. Wobei ein besonderes Augenmerk auf der Wirtschaft liegt, die in den vergangenen vier Monaten mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze verlor. Im Konzert mit Bush machte der neue Mann im Oval Office Druck auf den Kongress, die zweite Tranche des bereits beschlossenen Rettungspakets für die Finanzwelt in Höhe von 350 Milliarden US-Dollar freizugeben. Mit Erfolg. Jetzt drängt der neue Präsident die Banken, das Geld in Umlauf zu bringen. "Wir wollen die Kredite wieder fließen sehen", mahnt Axelrod die Empfänger der Staatshilfen. "Die Zeit, auf dem Geld der Steuerzahler zu sitzen, ist vorüber." Unter Hochdruck arbeitet das Team Obama mit den Führern im Kongress daran, Einzelheiten des massiven Konjunkturpakets auszuarbeiten. Unter dem sperrigen Titel "American Recovery and Reinvestment Programm" setzt die neue Regierung dabei auf drei Elemente: 1. Investitionen in den ökologischen und sozialen Umbau der USA durch Ausgaben für Infrastrukturprojekte, Gesundheit, Bildung und Forschung. 2. Direkte Finanztransfers an die Bundesstaaten und Kommunalregierungen, um dort schmerzhafte Einschnitte in öffentliche Leistungen zu verhindern. Und schließlich 3. Steuerrabatte für alle, die weniger als 200 000 Dollar im Jahr verdienen. "Wir müssen schnell handeln, um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bringen", heißt es im Umfeld des Präsidenten, der in der Krise eine Chance sieht, Veränderungen durchzusetzen, für die es vor Jahresfrist keine Mehrheit gegeben hätte. Das Wort von einer auf das 21. Jahrhundert zugeschnittenen Wiederauflage der "New Deal"-Politik Franklin D. Roosevelts macht die Runde. Anders als Vorgänger Bush bringt Obama enormes politisches Kapital mit ins Weiße Haus. Mit Sympathiewerten, die in Umfragen bei 80 Prozent liegen. Wobei die Amerikaner Optimisten und Realisten zugleich sind. Zwei Drittel der Befragten in einer Erhebung der "New York Times" rechnen innerhalb der nächsten beiden Jahren nicht mit schnellen Erfolgen in der Wirtschaftspolitik, bei der Gesundheitsreform oder im Irak. 61 Prozent glauben jedoch, die USA stünden in fünf Jahren besser da als heute. Der neue Mann im Weißen Haus lässt am ersten vollen Arbeitstag im Weißen Haus keinen Zweifel daran, dieses Vertrauen seiner Landsleute für seine Reformagenda nutzen zu wollen. "Andere in Güte für uns gewinnen, das muss unser Leitgedanke sein . . ."Abraham Lincoln, 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika (1809 bis 1865)

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