EU-Gipfel Bis 2025 sicher und schnell vernetzt

Tallinn · Die EU steckt sich auf dem Gipfel in Tallinn hohe Ziele für die digitale Zukunft. Zuvor lobt Merkel Macrons Reform-Initiative für Europa.

(dpa/dd) Das Titelbild des britischen Wirtschaftsmagazins „Economist“ bringt es auf den Punkt: Im hellen Lichtkegel am Mikrofon ein strahlender französischer Präsident Emmanuel Macron, dahinter im Schatten eine kleine, irgendwie bedröppelt dreinschauende Kanzlerin Angela Merkel. „Der Scheinwerfer rückt von Deutschland nach Frankreich“, steht darunter. Ist das so? Beim EU-Sondergipfel in Tallinn, dem ersten internationalen Auftritt Merkels nach der Bundestagswahl, ist genau das die Frage.

Ist die Kanzlerin durch ihr schlechtes Ergebnis geschwächt, durch die schwierige Regierungsbildung mit FDP und Grünen sogar eine besondere Art der „lame duck“, der politisch lahmen Ente, die nicht mehr viel entscheiden kann? Beim Abendessen mit den Staats- und Regierungschefs dürfte sie sich über die vielen Glückwünsche zur faktischen Wiederwahl sehr gefreut haben.

Anschließend zitieren Macron und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker noch einmal aus ihren Reden, dann ist Merkel dran. Die britische Premierministerin Theresa May hört aufmerksam zu, obwohl es sie eigentlich gar nichts mehr angeht, denn Thema ist die Zukunft der EU. Warum ist May überhaupt eingeladen? Die Esten hatten wohl an einen lockeren Abend gedacht, ohne Kontroversen, May sagte sofort zu. Aber dann wurde wegen der Dynamik der Ereignisse doch eine Grundsatzdiskussion nötig.

Es war schon ein bemerkenswerter Zeitplan: Zwei Tage nach der Wahl in Deutschland und zwei Tage vor dem Treffen in Tallinn legt Macron mit viel Pathos seinen Reformplan für Europa vor. Einen kompletten Umbau will er bis 2024, für die Eurozone einen eigenen Haushalt und einen Finanzminister, sogar eigene Steuern. In Deutschland sind das höchst umstrittene Forderungen, in Merkels Union ebenso wie beim potenziellen Koalitionspartner FDP.

Die Kanzlerin sagt direkt nach Macrons Rede erst einmal – gar nichts. Lediglich ihren Regierungssprecher Steffen Seibert lässt sie am Mittwoch „Elan und Leidenschaft“ des Franzosen loben. Einen weiteren Tag später, bei der Ankunft in der estnischen Hauptstadt, erscheint sie dann aber entschlossen, dem Franzosen nicht mehr alleine die Deutungshoheit über die Perspektiven Europas zu überlassen. Nüchtern wie immer, aber mit deutlichen Worten, begrüßt sie Macrons Initiative, spricht von einem „großen Impuls“. Details allerdings, nun ja, die müssten natürlich geprüft werden.

Am Freitag dann der Digital-Gipfel. Schnelles Internet, digitale Wirtschaft und Behörden, Cybersicherheit. Die Esten halten sich für die digitalen Weltmeister, was nichts daran ändert, dass bei den 600 Journalisten im Pressezentrum auch mal das Internet schwächelt, wie so oft irgendwo in Europa.

Deshalb sind die Ziele ehrgeizig: Bis 2025 soll in der gesamten EU das mobile Hochgeschwindigkeitsnetz für Smartphones mit dem 5G-Standard verfügbar sein. Im gleichen Jahr will die Gemeinschaft ein „weltweit führendes“ Glasfaser-Netz für das Internet schaffen, das große Datenmengen mit hohen Geschwindigkeiten übertragen kann.

Auch die wachsende Zahl von
Hacker-Attacken war in Tallinn Thema. Nun soll unter dem Dach der Europäischen Kommission eine EU-Agentur für Cybersicherheit entstehen. Noch ist aber ungeklärt, welche konkreten Aufgaben diese Institution bekommt.

Ein weiteres Problem, das herausgearbeitet wurde, ist die Besteuerung der Internet-Konzerne. Da diese ihren Hauptsitz häufig in Ländern innerhalb oder außerhalb der EU mit geringen Steuersätzen haben, ihre Dienste aber weltweit anbieten können, fehlen Grundlagen zur Erhebung staatlicher Abgaben. Die bisherigen Vorschläge, die Gewinne in den einzelnen Ländern zu errechnen, sind in der Union heftig umstritten. Als weiteres Defizit wurde die mangelnde Unterstützung digitaler Unternehmen benannt. Zwar gibt es Starthilfe für Startups, aber dann fehlen Instrumente zur weiteren Förderung. Hier soll die Kommission Vorschläge ausarbeiten.

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