Beschneidung: der Auftritt des Rabbiners
Berlin. Ebenso gütig wie unnachgiebig hat sich der israelische Oberrabbiner Yona Metzger gestern in Berlin gezeigt: Die Beschneidung gehöre zum Kernbestand des Judentums, und zwar in ihrer traditionellen Form. Für die Hauptstadtjournalisten war es ein eher ungewohnter Anblick in der Bundespressekonferenz
Berlin. Ebenso gütig wie unnachgiebig hat sich der israelische Oberrabbiner Yona Metzger gestern in Berlin gezeigt: Die Beschneidung gehöre zum Kernbestand des Judentums, und zwar in ihrer traditionellen Form. Für die Hauptstadtjournalisten war es ein eher ungewohnter Anblick in der Bundespressekonferenz. Wo sich üblicherweise Politiker oder Verbandsvertreter einfinden, saß nun der jüdische Religionsgelehrte in traditionellem Gehrock, breitkrempigem Hut und mit langem Bart. Er sei nicht als Politiker oder Jurist gekommen, meinte Metzger, sondern nur, um die Position der jüdischen Religion darzulegen, "damit Sie diese aus erster Quelle erfahren können".Dabei treibt den Oberrabbiner die Sorge um, dass das Urteil des Kölner Landesgerichts für die Rechtsprechung nicht nur in Deutschland richtungsweisend werden, sondern auch für andere europäische Länder wie die Schweiz, Österreich oder Dänemark Vorbildfunktion entwickeln könnte. Die Kölner Richter hatten die Beschneidung als Körperverletzung gewertet.
Bemerkenswert war Metzgers verbindlicher Ton. Die Konferenz Europäischer Rabbiner hatte noch vor wenigen Wochen die Forderung nach einem Beschneidungsverbot als antisemitisch gegeißelt. Der Oberrabbiner betonte nun, dass er bei den Gegnern der Beschneidung "keinen Antisemitismus" sehe. Aus seiner Sicht geht es ihnen um eine "Ideologie der körperlichen Unversehrtheit", die mit der Religionsfreiheit abzuwägen sei. Es gelte, einen "Kompromiss" zu finden.
Allerdings ließen Metzgers Ausführungen wenig Raum für einen Kompromiss im politischen Sinn. Er bekräftigte den Geltungsanspruch der Beschneidung als eines der 613 jüdischen Gesetze. Der Ritus besiegle seit 4000 Jahren die Zugehörigkeit zum jüdischen Volk. Und nach dem Gesetz muss jeder Junge am achten Tag nach der Geburt von einem Mohel beschnitten werden - also nicht erst im religionsmündigen Alter von 14 Jahren. Die Beschneidung solle nach den Regeln der Medizin vollzogen werden. Deshalb plädierte Metzger dafür, dass der Mohel wie in Israel einen medizinischen Grundkurs erhalten und zertifiziert werden solle. In einem entscheidenden Punkt zeigte er sich allerdings unnachgiebig: Selbst eine lokale künstliche Betäubung könne es nicht geben. "Das Religionsgesetz fordert, dass es auf natürlichem Weg vor sich geht und nicht künstlich." Deshalb lehnt Metzger es auch ab, die Beschneidung allein Ärzten vorzubehalten.
Die Verweigerung einer Anästhesie dürfte manchem Parlamentarier die Akzeptanz der Beschneidung nicht leichter machen. Der Bundestag hatte sich Mitte Juli in einem fraktionsübergreifenden Antrag für die rechtliche Zulässigkeit der Beschneidung ausgesprochen. Diese sollte aber "fachgerecht und ohne unnötige Schmerzen" geschehen. Das Justizministerium arbeitet an einer Gesetzesvorlage.
Wesentlich dürfte für die künftige Diskussion ein weiteres Argument sein: Die Beschneidung gehört in vielen Ländern zum Angebot medizinischer Grundversorgung. Allein in den USA wird die Hälfte aller neugeborenen Jungen beschnitten. knaFoto: Lang/dapd