Berlusconi soll ins Altenheim

Mailand · Der einst mächtigste Mann Italiens muss nicht in Hausarrest. Dafür soll Silvio Berlusconi einmal pro Woche in einem Seniorenheim Sozialarbeit leisten. Dem Polit-Zirkus in Rom bleibt der Ex-Ministerpräsident so aber erhalten.

Auf den ersten Blick wirkt das Gelände einladend. Die Grünflächen stechen ins Auge, eine Kapelle, die gelb getünchten Fassaden. Im Inneren der Fondazione Sacra Famiglia in Cesano Boscone steht auch ein Klavier. In dieser Einrichtung für Schwerbehinderte und hilfsbedürftige Senioren in der Nähe von Mailand wird Italiens berühmtester Straftäter demnächst seine einjährige Strafe wegen Steuerbetrugs mit Sozialstunden ableisten. Mindestens vier Stunden pro Woche muss der italienische Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi in der Fondazione Sacra Famiglia arbeiten, in zehn Tagen soll es losgehen. Das entschied gestern das zuständige Mailänder Gericht.

Am 1. August 2013 hatte der Oberste Gerichtshof in Rom Berlusconi zu vier Jahren Haft wegen Steuerbetrugs in Zusammenhang mit dem Handel von Filmrechten in seinem Unternehmen Mediaset verurteilt. In Folge einer bereits zuvor in Kraft getretenen Amnestie-Regelung wurden Berlusconi drei Jahre der Strafe erlassen. Wegen seines Alters muss der 77-jährige Politiker nicht ins Gefängnis. Bei guter Führung könnte der viermalige Ministerpräsident schon nach zehn Monaten, also im Februar 2015, seine Strafe verbüßt haben.

Das Mailänder Gericht gestand Berlusconi weitgehende Bewegungsfreiheit zu. Zwischen Dienstag und Donnerstag bis 23 Uhr kann Berlusconi von seinem Meldedomizil in Arcore bei Mailand in seine Privatresidenz in Rom reisen. Damit hat der Politiker, der laut Umfragen immer noch 20 Prozent der italienischen Wähler mobilisieren kann, drei Tage pro Woche Zeit, sich seiner Partei "Forza Italia" und der Politik in Rom zu widmen.

Berlusconi hatte zuvor befürchtet, unter Hausarrest gestellt zu werden. Diese Entscheidung hätte seinen politischen Aktionsradius als Chef der Partei "Forza Italia" kurz vor der Europawahl am 25. Mai erheblich eingeschränkt. Gleichwohl muss Berlusconi einige strikte Regeln befolgen, um seine Strafe komplett mit Sozialstunden abbüßen zu können. Jeder Kontakt zu anderen Vorbestraften oder Drogensüchtigen ist untersagt. Berlusconi darf in den kommenden Monaten also beispielsweise seinen guten Freund und früheren Verteidigungsminister Cesare Previti, der 2007 wegen der Bestechung eines Richters zugunsten von Berlusconi letztinstanzlich verurteilt worden war, nicht treffen. Sein Meldedomizil, im Fall Berlusconi ist das die luxuriöse Villa San Martino in Arcore bei Mailand, in der früher die Bunga-Bunga-Partys stattfanden, darf der Verurteilte erst nach sechs Uhr morgens verlassen. Bis spätestens 23 Uhr muss er wieder zurück sein. Zudem muss Berlusconi in regelmäßig zu Haft-Gesprächen in Mailand erscheinen.

Für den Fall, dass Berlusconi sich an andere Orte in Italien begeben will, muss der Verurteilte explizit bei Gericht um Erlaubnis fragen. Ins Ausland kann Berlusconi seit vergangenem August nicht mehr reisen, da das Gericht seinen Pass einzog. Vor wenigen Wochen wurde ihm auch der Ehren-Titel als "Cavaliere del Lavoro" entzogen. Berlusconi ist seither nicht nur Ex-Ministerpräsident, sondern auch Ex-Cavaliere.

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