Botschafter-Autos Die Rowdys mit dem Diplomatenschild

Berlin · Mehr als 20 000 Verkehrsverstöße von Botschaftsfahrzeugen registrierte die Berliner Polizei 2018. Geahndet wurden sie nicht. Das schürt Ärger.

  Diplomaten-Nummernschilder (hier der Mercedes des Botschafters von Dschibuti) schützen in Berlin vor Bußgeldern.

Diplomaten-Nummernschilder (hier der Mercedes des Botschafters von Dschibuti) schützen in Berlin vor Bußgeldern.

Foto: picture alliance / Markus C. Hurek/dpa Picture-Alliance / Markus C. Hurek

Davon können normale Verkehrsteilnehmer nur träumen – das Knöllchen für Falschparken oder zu schnelles Fahren einfach zu ignorieren, und nichts passiert. Gar nichts. Diplomat müsste man sein. Vor allem einer der USA.

Denn die Immunität schließt jegliche inländische Strafverfolgung aus. Genau 21 714 Verkehrsordnungswidrigkeiten registrierte die Berliner Polizei im Jahr 2018 für Fahrzeuge mit Diplomatenkennzeichen. Knapp 1200 weniger als noch im Jahr zuvor. Die Zahlen hat der Berliner Senat jetzt zusammengestellt, und sie liegen unserer Redaktion vor. Die Haupttatbestände der Erwischten: Parkverstöße und Geschwindigkeitsmissachtungen.

Größte Verkehrssünder sind demnach die Mitarbeiter des forschen US-Botschafters Richard Grenell. Dem Berliner Senat zufolge verstießen die US-Amerikaner im vergangenen Jahr am häufigsten gegen die Verkehrsregeln – wie oft, ist nicht erfasst. Auf dem zweiten Platz finden sich die Griechen, gefolgt von den Ägyptern, den Russen und den Diplomaten aus dem Jemen.

2016 lagen die Amerikaner noch auf Platz fünf, ein Jahr später schon auf Platz zwei. Gleichwohl fahren die US-Entsandten auch die meisten der 2706 angemeldeten Diplomaten-Fahrzeuge: mit Stand 15. März waren es 264. Es folgen die Russen mit einem Fuhrpark von 158 Fahrzeugen vor den Chinesen mit 115 Autos. Kleinere Länder wie Honduras, Dominikanische Republik, Somalia oder Costa Rica haben entweder zwei Auto oder lediglich eins.

An 79 Unfällen mit 34 Verletzten war das diplomatische Korps beteiligt, 50 Mal lag sogar der Verdacht einer Unfallflucht vor. Belangt wurden die Flüchtigen aber nicht. Sämtliche Verfahren wurden eingestellt. Grund laut Senat: „Diplomatische Immunität.“ Weil die Fallzahlen so hoch sind, meldet sich jetzt auch die Politik zu Wort. „Berlins Straßen dürfen nicht zum Wilden Westen werden“, sagt der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. Wer Privilegien wiederholt „in exzessivem Ausmaß missbraucht, ist hier fehl am Platz“. Gastrecht heiße nun mal auch, „gegebene Vorteile nicht auszunutzen“, sagt Luksic weiter. Doch mehr als zu appellieren, ist nicht möglich. Geregelt ist der Diplomatenstatus im „Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen“ (WÜD). Das Abkommen ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag. Allein der Entsendestaat des Diplomaten kann durch eine ausdrückliche Erklärung den Schutzstatus wieder aufheben.

In Berlin sind die Verkehrsrowdys mit dem Diplomatenkennzeichen immer wieder ein Thema. Als vor zwei Jahren ein Botschaftsvertreter des Königreichs Saudi-Arabien einen tödlichen Unfall mit einem Radfahrer verursachte, war der Aufschrei groß. Der Porsche-Fahrer stand damals im absoluten Halteverbot und riss abrupt die Tür auf, als der Radler vorbeifuhr. Damals verlangte das Auswärtige Amt sogar eine Erklärung von Saudi- Arabien. Eine Strafverfolgung gab es aber auch in diesem Fall nicht. Zudem äußerte man sich ganz allgemein: Man missbillige die vielen Verkehrsverstöße, sie schadeten dem Ansehen des diplomatischen Korps, hieß es aus dem Auswärtigen Amt.

Speziell für Berlin kommt noch etwas hinzu: Der Bundeshauptstadt entgehen jedes Jahr satte Einnahmen durch Bußgelder, die nicht eingetrieben werden dürfen. Nach Angaben des Senats musste man im vergangenen Jahr auf 389 734 Euro verzichten. Geld, das die Stadt gut gebrauchen könnte.

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