Berlin wollte Grenze dichtmachen

Berlin · Im September 2015 sollten Flüchtlinge angeblich zunächst abgewiesen werden.

(kna) Anders als bisher bekannt, hatten sich die führenden Politiker der Koalition im September 2015 verständigt, Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückzuweisen. Dies zeigen Recherchen für das Buch "Die Getriebenen - Merkels Flüchtlingspolitik. Report aus dem Inneren der Macht" des Journalisten Robin Alexander, über das die "Welt" vorab berichtet.

Demnach gab es am Samstag, 12. September, um 17.30 Uhr eine Telefonkonferenz, an der Kanzlerin Angela Merkel, Kanzleramtschef Peter Altmaier, Innenminister Thomas de Maizière (alle CDU), der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sowie der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und SPD-Chef Sigmar Gabriel teilnahmen. Dabei vereinbarten sie nicht nur, am Folgetag um 18.00 Uhr Grenzkontrollen einzuführen. Vielmehr einigten sich die Spitzenpolitiker ebenfalls darauf, dass Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen werden sollten.

Auch der Einsatzbefehl, den die Polizeiführung schrieb, wies die Polizeidirektionen ausdrücklich an, Migranten ohne notwendige Papiere "auch im Falle eines Asylgesuches" zurückzuweisen. Dafür wurden in der Nacht zum Sonntag Polizeibeamte aus ganz Deutschland an die Grenze beordert.

Bei der Einsatzplanung im Innenministerium am Tag darauf äußerten Beamte rechtliche Bedenken. Die Kanzlerin verlangte von ihrem Minister Garantien, dass die Grenzschließung vor Gerichten Bestand haben würde und es keine öffentlich schwer vermittelbaren Bilder vom Einsatz der Bundeswehr gegen Flüchtlinge gebe.

Der Innenminister erörterte daraufhin mit seinen Staatssekretären und Polizeiführern, ob diese Garantien gegeben werden könnten. Außerdem holte er die Meinung des Koalitionspartners SPD ein. "Ohne die geforderten Garantien waren weder die Kanzlerin noch der Innenminister bereit, die am Vortag bereits mit dem Koalitionspartner vereinbarte Grenzschließung für Flüchtlinge anzuordnen", heißt es. Schließlich wurde der bereits fertige Befehl der Polizei umgeschrieben. Nun wurde befohlen, dass "Drittstaatsangehörigen ohne aufenthaltslegitimierende Dokumente und mit Vorbringen eines Asylbegehrens die Einreise zu gestatten ist".

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