Berlin wirft den Suchscheinwerfer an

Namen für einen möglichen Nachfolger von Christian Wulff kursierten in Berlin schon, als noch gar nicht klar war, ob der Präsident überhaupt zurücktreten würde. Zwangsläufig wurde auch immer Joachim Gauck genannt, der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Pfarrer, 2010 Wulffs Gegenkandidat von SPD und Grünen. Hoch geschätzt, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch von Kanzlerin Angela Merkel

Namen für einen möglichen Nachfolger von Christian Wulff kursierten in Berlin schon, als noch gar nicht klar war, ob der Präsident überhaupt zurücktreten würde. Zwangsläufig wurde auch immer Joachim Gauck genannt, der ehemalige DDR-Bürgerrechtler und Pfarrer, 2010 Wulffs Gegenkandidat von SPD und Grünen. Hoch geschätzt, nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch von Kanzlerin Angela Merkel. Doch die Variante ist unwahrscheinlich. Bei SPD und Grünen wird Gauck bisher nur sehr verhalten ins Spiel gebracht, weil der Ex-Chef der Stasi-Unterlagenbehörde in letzter Zeit Positionen vertreten hat, die nicht mit denen seiner Unterstützer kompatibel waren. Zum Beispiel, als er die Occupy-Bewegung gegen die Finanzmärkte als "unsäglich albern" bezeichnete.Aber Gauck ist noch nicht aus dem Spiel. Zumal das Spiel diesmal ganz anders gespielt wird als beim letzten Mal, im Mai 2010, als Schwarz-Gelb Christian Wulff mit Brachialgewalt gegen die Opposition durchdrückte. Jetzt soll von vornherein, wie Angela Merkel gestern verkündete, "ein gemeinsamer Kandidat" vorgeschlagen werden. Schon am Freitag telefonierte die Kanzlerin nach SZ-Informationen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel über das weitere Vorgehen. Am Samstag will sie sich mit Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) treffen. Dabei soll, hieß es, noch keine Festlegung auf einen konkreten Namen erfolgen - das würde die Opposition in die Situation "Friss oder stirb" bringen. Aber man will gemeinsame rote Linien festlegen. Also, wer es nicht werden darf. Und man will eine Bandbreite von Namen erörtern.

Finanzminister Wolfgang Schäuble liegt wohl eher nicht innerhalb dieser Bandbreite. Er ist der FDP nicht vermittelbar und auch in der Eurokrise unabkömmlich. Merkels Allzweckwaffe, Verteidigungsminister Thomas de Maizière, will partout nicht. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wiederum stößt bei der Opposition auf Ablehnung. Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer, CDU-Mitglied, sticht ins Auge, weil er auch bei SPD und Grünen beliebt ist. Die wollten ihn 2010 anfangs sogar statt Gauck aufs Schild heben, doch sagte Töpfer damals aus Rücksicht auf Merkel ab. Diesmal dürfte seine Wahl an den verunsicherten Liberalen scheitern. Er wäre, hieß es im schwarz-gelben Lager, ein zu starkes Signal in Richtung Schwarz-Grün. "Das kann man der FDP nicht antun."

Wer in Berlin den Suchscheinwerfer einschaltet, bleibt derzeit am ehesten bei Bundestagspräsident Norbert Lammert hängen. Der CDU-Mann saß schon vor zwei Jahren mit auf dem Kandidatenkarussell. Der 63-Jährige hat sich als Parlamentspräsident auf allen Seiten des Hauses wegen seiner parteiübergreifenden Art einen guten Ruf erarbeitet. Ein Konsenskandidat könnte aber auch jemand mit SPD-Parteibuch sein - der Name des Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier fiel schon mal vor einigen Wochen. Auch die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt wäre eine mögliche Kandidatin. Als langjährige Vizepräsidentin des Bundestags genießt sie viel Respekt. Oder vielleicht doch kein Politiker? Der Name der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, wurde genannt. Ebenso der von Andreas Voßkuhle. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts ist allseits anerkannt. Und er ist jung, 48 Jahre alt, ein Kriterium, auf das Angela Merkel bei Wulff so viel Wert legte. Aber vielleicht ist sie davon ja inzwischen geheilt.

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