Berlin und Paris üben den SchulterschlussBundestagspräsident stellt Zeitplan für Rettungsschirm in Frage Das Wichtigste zu den umstrittenen Eurobonds

Paris. Ausgerechnet Frankreichs beliebtes Klatschblatt "Paris Match" entdeckt mitten im Sommerloch die Politik

Paris. Ausgerechnet Frankreichs beliebtes Klatschblatt "Paris Match" entdeckt mitten im Sommerloch die Politik. Ein Feuerwehrmann mit den Zügen von Präsident Nicolas Sarkozy ruft in einer Karikatur beim Löschen des brennenden Finanzplatzes um Hilfe: "Angela, ich habe kein Wasser mehr!" Die angesprochene Kanzlerin Angela Merkel steht souverän neben einem riesigen Tankwagen und löscht aus französischer Sicht auf typisch deutsche Weise. Launig antwortet sie: "Mach's wie ich, Nicolas: Begieß' es einfach mit Bier."Effektiv, wenn auch irgendwie anders: Die Karikatur macht mehr als Worte klar, wie die Finanzkrise in Frankreich das Image des deutschen Nachbarn belebt. Sie verleiht dem in die Jahre gekommenen deutsch- französischen Paar neuen Schwung. Im oft schwierigen Dialog zwischen Berlin und Paris gilt Deutschland mehr denn je als souveräner Helfer in der Not. Kaum erstaunlich daher, dass die Franzosen der Kanzlerin in einer Meinungsumfrage mehr Krisenmanagement zutrauen als dem eigenen Präsidenten. Doch wenn sie heute in Paris mit Nicolas Sarkozy zusammentreffen wird, geht es nicht nur um Symbolik.

Deutschland hat viel zu verlieren

Europa sucht einen neuen Gründungspakt auf der Basis von Budgetdisziplin, Kontrolle und effizienten Eingriffsmöglichkeiten in Notfällen. Offiziell geht es bei dem Treffen um Vorschläge zur Stärkung der wirtschaftspolitischen Steuerung der Eurozone. "Die Schuldenkrise wird Europa zwingen, seine Wirtschaftsregierung zu verstärken, da sonst die Eurozone schlicht und einfach explodieren könnte. Nicolas Sarkozy und Angela Merkel treffen sich (. . .), um in diese Richtung fortzuschreiten", schreibt die Zeitung "Le Monde". Experten gehen davon aus, dass Sarkozy auch für Eurobonds als gemeinsame Staatsanleihen werben wird.

Deutschland hätte viel zu verlieren, wenn sein wichtigster Handelspartner seine Kreditwürdigkeit verlieren würde. Sarkozy steht mit dem Rücken zur Wand und braucht Merkels Unterstützung. Zuletzt hatten Gerüchte und Missverständnisse in der Finanzwelt französische Großbanken in die Bredouille gebracht.

Sarkozy muss hart sparen

Sarkozy muss seinem Land die Bestnote AAA der Ratingagenturen erhalten, um weiterhin günstige Kredite zu erhalten. Doch die Wirtschaftskraft des Landes erlahmt, so dass die angepeilte Haushaltssanierung vor dem französische Wahljahr 2012 noch größere Spar-Anstrengungen erfordert. Damit fließen weniger Steuereinkünfte in die Staatskassen als erhofft. Auf zehn Milliarden Euro schätzt die Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" den Steuer-Fehlbetrag durch die erlahmende Wirtschaftskraft.

Nur wenige Stunden vor seinem Treffen mit Merkel wird Sarkozy seine wichtigsten Minister im Elysée versammeln. Sie sollen ihm konkrete Maßnahmen präsentieren, wie die Regierung das plötzlich fehlende Geld auftreibt. Im Wahljahr 2012 möchte Sarkozy weder die Wähler verprellen noch die zarte Konjunktur abwürgen. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer wird daher ausgeschlossen.

Stattdessen sollen viele der rund 500 Steuervergünstigen gestrichen oder gekürzt werden. Sarkozy will Merkel seine konkreten Sparpläne präsentieren um zu zeigen, dass es ihm ernst ist mit der Konsolidierung des Haushalts. Vergangenen Mittwoch hatte er betont: Das Engagement zur Defizit-Reduzierung der öffentlichen Haushalte ist unantastbar und unabhängig von der wirtschaftlichen Lage.Berlin. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat den Zeitplan der Regierung für die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms offen in Frage stellt. Der CDU-Politiker warnte die schwarz-gelbe Koalition davor, die Beschlüsse im Eiltempo durchzusetzen und dabei die Rechte des Parlaments zu missachten. "Die Bundesregierung kann ohne Zustimmung des Bundestags nichts zusagen, was auch nur einen Cent kostet", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Lammert wandte sich gegen die Vorstellung der Regierung, die Reform innerhalb kurzer Zeit zu beschließen. "Wie viel Beratungsbedarf wir haben, das entscheidet der Bundestag selbst." Nach dem Plan der Koalition soll der Bundestag am 23. September über den Beschluss abstimmen. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung werbe für einen Zeitplan, "aber diesem Werben hat sich der Bundestag überhaupt nicht zu unterwerfen". Der Bundestag entscheide natürlich autonom.dpa

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Eurobonds?

Bei den Papieren geht es um gemeinsame Staatsanleihen aller Euro-Länder. Die Idee: Hoch verschuldete Krisenländer sollen am Rentenmarkt wieder zu relativ günstigen Konditionen Kredite aufnehmen können, weil Länder mit erstklassiger Bonität mithaften. Die Papiere könnten von einer europäischen Schuldenagentur zur Versteigerung angeboten werden.

Was wären die Vorteile?

Pleitekandidaten stünden nicht mehr wie bisher weitgehend allein gegen die Macht von Finanzmärkte und Spekulanten: Mit Hilfe der Eurobonds könnten sie sich wieder zu moderateren Konditionen Kredite besorgen - schließlich sind die solideren Staaten ja mit im Boot. Damit böten die finanzstarken Länder den bonitätsschwachen Partnern Unterschlupf, erklärt Commerzbank-Analyst Christoph Weil.

Was spricht gegen Eurobonds?

Diese Form von Anleihen verbilligt die Zinsen für Länder, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Entsprechend würde die gemeinsame Haftung für Schulden ein tatkräftiges Sanieren und Sparen für Athen, Lissabon & Co noch unattraktiver machen - nach dem Motto: Die Reichen werden schon zahlen.

Was würden Eurobonds für Deutschland kosten?

Das ist umstritten. Ifo-Chefvolkswirt Kai Carstensen etwa kalkuliert mit jährlichen Mehrkosten von 47 Milliarden Euro. Eurobonds-Befürworten meinen: Staatspleiten und ein Auseinanderbrechen der Eurozone kämen für Deutschland teurer als die gemeinsamen Bonds. dpa

Meinung

Heißer Herbst

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Immer mehr Entscheidungen werden in kleinen Gremien und Kreisen ausgeheckt, die Kurzlebigkeit der Beschlüsse und damit der Handlungsdruck hat zugleich dramatisch zugenommen - wie sich allein bei der Finanz- und Eurokrise zeigt. Das darf jedoch kein Argument dafür sein, die Abgeordneten wie Befehlsempfänger oder wie einen Abnickverein zu behandeln. Wer so agiert, kratzt kräftig an der parlamentarischen Demokratie. Die neuerliche Kritik des Bundestagspräsidenten Norbert Lammert an ihrem Umgang mit dem Bundestag könnte Kanzlerin Angela Merkel jetzt gefährlich werden. Schließlich bestärkt Lammert jene in den Regierungsfraktionen von Union und FDP, die Merkels Euro-Rettungskurs womöglich nicht mittragen wollen. Merkel steht somit innenpolitisch ein heißer Herbst bevor. Das ist sicher.

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