Berlin träumt wieder von Olympia

Berlin · Mit neuer Bescheidenheit und der Einbeziehung der Bürger will Berlin eine neuerliche Olympia-Bewerbung in Angriff nehmen. 1993 endete das Vorhaben, die Spiele in die Hauptstadt zu holen, in einem Desaster.

Dass die Berliner sportbegeistert sind, ist an vielen Ecken der Stadt zu spüren: Die Fanmeile zur Fußball-WM am Brandenburger Tor ist regelmäßig proppenvoll. Beim Beachvolleyball am Wochenende vor dem Hauptbahnhof war der Andrang ebenfalls groß; die Fußballer von "Hertha" und "Union", die Handballer der "Füchse" oder die Basketballer von "Alba" können sich über mangelnde Zuschauer nicht beschweren. Berlin ist sportlich, in den vielen Parks wird gejoggt, geradelt und gekickt. Aber reicht diese Begeisterung auch aus für Olympia?

Die Stadt will's wieder wissen. Der rot-schwarze Senat hat gestern den Bewerbungsprozess für die Sommerspiele 2024 oder 2028 offiziell eingeleitet. Schon Ende Mai hatte der Deutsche Olympische Sportbund den interessierten Bewerberstädten Berlin und Hamburg einen Katalog mit 13 Fragen vorgelegt, der nun bis Ende August beantwortet werden soll. Darin wird nach Hotelkapazitäten, Sportstätten, dem Geist oder der Akzeptanz möglicher Spiele gefragt. Im Dezember wollen die deutschen Olympiafunktionäre entscheiden, ob und mit welcher Stadt man antreten will.

Berlin ist jedoch ein gebranntes Kind - nicht nur wegen der Spiele 1936, die von den Nazis missbraucht worden waren. 1993 bewarb sich die Stadt für Olympia im Jahr 2000, im Einheitstaumel und in dem Glauben, es sei ausreichend, als Symbol für das Ende der Teilung Europas ins Rennen zu gehen. Die Bewerbung war von Übermut, Fehlplanungen, Peinlichkeiten und heftigen Protesten überschattet. Nur neun IOC-Mitglieder wählten letztlich Berlin . Den Zuschlag bekam Sydney. Jetzt soll alles anders werden.

Mit neuer Bescheidenheit, Vernunft und Augenmaß, so die offizielle Sprachregelung, sogar mit einer "Bürgerolympiade" will der Senat für Akzeptanz unter den Hauptstädtern sorgen. Schwierig genug wird das werden, wie das Beispiel München zeigt. Die Bewerbung der Bayern für die Winterspiele 2022 scheiterte am Votum der Bürger .

Die Milliardenkosten, "der Investitionswahnsinn", die Sorge um die Natur und die Ablehnung von Organisationen wie dem IOC sind auch die Punkte, die viele Berliner jetzt schon umtreiben. Und manche haben Angst vor der Zeit nach Olympia: Werden Preise und Mieten weiter steigen? Der Senat verspricht, die Ideen, Bedenken und Wünsche aller in einen Bewerbungsprozess einfließen zu lassen. "Dazu sollen neue Formate der Bürgerbeteiligung entwickelt werden", erklärt Sportsenator Frank Henkel (CDU ). Zur Not will man sogar die Landesverfassung ändern. Aber auch die Bundespolitik rät zur Mäßigung: "Dem Gigantismus vergangener Spiele darf eine deutsche Bewerbung aus meiner Sicht nicht folgen", sagte die Sportausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD ) der SZ. "Das würde auch in der Gesellschaft wohl keine Mehrheit finden."

Das Hauptproblem ist allerdings noch ein ganz anderes: Selbst Olympiabegeisterte, die auf einen Schub für die Stadt hoffen, trauen der politischen Führung an der Spree so recht nicht zu, die Aufgabe zu stemmen. Berlin kriegt ja nicht mal einen Flughafen hin, heißt es oft. Um Spiele zu veranstalten, sind 35 Wettkampf- und 30 Trainingsstätten notwendig. Darüber hinaus benötigt man ein Olympisches Dorf, in dem 16 000 Athleten und Funktionäre unterkommen sollen, und zigtausende Hotelzimmer für die olympische Familie.

Allerdings verfügt Berlin mit dem Olympiastadion und anderen Arenen bereits über eine gute Infrastruktur. Der Bund für Umwelt und Naturschutz hat schon ein Konzept vorgelegt, wonach die Stadt ohne große Neubauten auskommen könnte; temporäre Sportstätten sollen auf den Freiflächen der Flughäfen Tempelhof und Tegel entstehen; Athleten, Funktionäre und Journalisten sollten in einstigen Kasernen oder Flughafengebäuden übernachten. Dafür müsste allerdings irgendwann der Flughafen Schönefeld fertig werden. Ob das gelingen wird?

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