Berlin reagiert zurückhaltend bis skeptisch
Berlin · Eine „souveräne Wahlentscheidung“, die man nicht kommentiere, nannte die Kanzlerin das Votum der Griechen. Weitgehend einig ist man sich in der Koalition, dass Griechenland seine Verpflichtungen einhalten müsse.
Viele hatten bei einem Tsipras-Wahlsieg mit einem kleinen Börsenabsturz gerechnet, doch in Frankfurt hielt der Aufwärtstrend gestern an. Das am Donnerstag verkündete EZB-Gelddruckprogramm vertrieb offensichtlich auch alle Sorgen um ein mögliches neues Aufflackern der Euro-Krise. Die Politik blieb ebenfalls ruhig. Für die Kanzlerin ist der Ausgang eine "souveräne Wahlentscheidung", die man nicht kommentiere, so ihr Sprecher Steffen Seibert . Ein förmliches Glückwunschschreiben Angela Merkels mit dem Angebot zur normalen, guten Zusammenarbeit werde folgen, sobald die neue Regierung im Amt sei, wich er diesbezüglichen Fragen am Vormittag aus. Nachmittags hieß es im Kanzleramt dann, der Text sei inzwischen in Arbeit. So schnell hatte man mit Tspipras' Vereidigung nicht gerechnet. Allerdings kommentierte Seibert indirekt dann doch ein wenig. Es sei wichtig, dass die neue Regierung an den Reformerfolgen der letzten Zeit anknüpfe, meinte er. Der Grundsatz europäische Solidarität gegen griechische Anstrengungen gelte weiter. "Hilfe gegen Reformen " nannte es CSU-Chef Horst Seehofer . Bei der SPD sprach wenig später Generalsekretärin Yasmin Fahimi von "Verpflichtungen, von denen man ausgehen muss, dass sie weiter entschlossen verfolgt werden".
Reformen für mehr Wachstum
Bei Fahimi gab es jedoch einen Schlenker, der auf gewisse Differenzen in der großen Koalition hindeutet: Notwendig seien in Griechenland "Reformen , die zu mehr Wachstum führen". Die Sozialdemokraten wollen die Sparvorgaben für die europäischen Krisenländer seit langem um eine Konjunkturkomponente ergänzt sehen. Der SPD-Finanzexperte Joachim Poß konnte dem Tsipras-Wahlsieg sogar etwas Positives abgewinnen: Es gebe jetzt die Chance, die "Periode der Vetternwirtschaft, der Abhängigkeit von Oligarchen und der Korruption zu beenden". Das sahen die Grünen ähnlich, die unter einer solchen Voraussetzung auch Tsipras' Forderung nach einem Schuldenschnitt unterstützen würden. Nicht so Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ): "Die Verpflichtungen gelten."
Auf breite Skepsis stieß in Berlin allerdings, dass Tsipras mit der nationalistischen Partei der Unabhängigen Griechen koalieren will. Mit dieser Partnerwahl mache Tsipras eine Partei salonfähig, die im EU-Parlament mit der AfD in einer Fraktion sitze, kritisierte der Grünen-Europapolitiker Manuel Sarrazin.
F ür die deutschen Linken, die Syriza als Schwesterpartei sehen und deren Vorsitzende Katja Kipping schon vom "roten Frühling für ganz Europa" träumte, war das gestern kein ganz einfacher Punkt. Fraktionsvize Sahra Wagenknecht druckste im Fernsehinterview herum: "Es gab offenbar keine anderen Partner, mit denen Syriza ihre Kernforderungen nach Stopp der Kürzungsdiktate, Bekämpfung der Korruption und Heranziehen der Vermögen der griechischen Oligarchen hätte umsetzen können."