Berlin pumpt Milliarden in die Bildung

Beim Geld, sagt der Volksmund, hört die Freundschaft auf. Doch gestern präsentierten sich die Vertreter von Bund und Ländern ungewöhnlich einträchtig, als es ums Geldverteilen ging.

Heimlich, still und leise haben in den letzten Wochen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) über das sechs Milliarden Euro schwere Bildungspaket verhandelt. Am Montagabend segneten die drei Parteichefs der großen Koalition das Ergebnis dann ab. Bei der Vorstellung gestern in Berlin waren alle zufrieden - sogar eine richtige Bafög-Reform ist nun drin.

Die jedenfalls muss man erwarten, denn Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) kündigte eine "strukturelle und substanzielle Reform" an, die zum Wintersemester 2016/2017 greifen soll. Die Elternfreibeträge sollen angehoben, die Bedarfssätze erhöht und manche kleinen Ungerechtigkeiten im Gesetz beseitigt werden. Ob es das von Studentenverbänden geforderte Plus von 7,5 Prozent geben wird, ließ Wanka offen. Schäuble plant mit 500 Millionen Euro Zusatzkosten pro Jahr. Derzeit kostet das Bafög rund 3,5 Milliarden Euro jährlich.

Im Koalitionsvertrag ist das Bafög gar nicht erwähnt, weil Bund und Länder, SPD und Union sich nicht darauf einigen konnten, wer die Erhöhung finanziert. Wanka und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst das Ansinnen der Länder, angeführt von Nordrhein-Westfalen, zurückgewiesen, dass der Bund komplett für das Bafög zuständig sein sollte, statt nur zu 65 Prozent. Jetzt knickten beide ein, weil, wie Wanka sagte, die Länder sich verpflichtet haben, ihren freiwerdenden Anteil von 1,2 Milliarden Euro im Jahr für die eigenen Hochschulen und Schulen zu verwenden. Diese Pflicht ist zwar nicht gesetzlich festgehalten, doch betonten mehrere Ländervertreter bei einer gestern kurzfristig angesetzten Pressekonferenz, dass sie das Geld dringend für Bildung bräuchten, "und nicht für Straßenbau", wie Scholz hervorhob. Die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) lobte gestern, dass es die Zusatzmittel auf Dauer gebe und man damit auch langfristig planen könne. Das eingesparte Bafög-Geld der Länder, bis 2016 zusammen 3,5 Milliarden Euro, erfüllt einen Großteil der Zusage der großen Koalition, den Ländern bis zum Ende der Legislaturperiode sechs Milliarden Euro mehr für Bildung zur Verfügung zu stellen. Der Rest kommt aus einer Aufstockung des Sondervermögens Kinderbetreuung von 450 Millionen auf eine Milliarde Euro, aus dem Kitas gebaut werden, und aus dem Versprechen des Bundes, den Hochschulpakt fortzusetzen. Das hierfür vorgesehene Geld wird nicht mehr auf die drei Milliarden Euro angerechnet, die der Bund außerhalb des gestern vorgestellten Bildungspakets bis 2016 zusätzlich noch für die außeruniversitäre Forschung ausgeben will.

Unter dem Strich fließen also neun Milliarden Euro mehr in Forschung, Bildung und Kinderbetreuung. Und langfristig ist die Summe noch höher, denn die neuen Bafög-Sätze sind nur für das Restjahr 2016 und das Jahr 2017 finanziert. Danach muss der Bund dafür dauerhaft Geld im Haushalt einplanen. Im Zuge der Verhandlungen gelang auch eine Einigung über das umstrittene Kooperationsverbot im Grundgesetz. Es untersagt dem Bund bisher, sich durch finanzielle Förderungen in die Bildungshoheit der Länder einzumischen. Jetzt sollen Bund und Länder in Forschung und Lehre kooperieren dürfen, wenn die Projekte von "überregionaler Bedeutung" sind und alle Länder zustimmen.

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