Berlin macht Pause

Berlin · Der Berliner Politik-Betrieb geht in die Sommerpause, die erste für die große Koalition. Damit ist Zeit, sich die Leistung der Akteure einmal genauer anzusehen – aus einem leicht schelmischen Blickwinkel.

Die parlamentarische Sommerpause ist da. Es ist die erste für die große Koalition und die Opposition seit der Regierungsbildung vor etwas mehr als sechs Monaten. Wer darf sich angesichts der zurückliegenden Strapazen jetzt zur Erholung "für drei Tage in die Eistonne legen", wie Peer Mertesacker sagen würde? Und wer benötigt eine zusätzliche Trainingseinheit? Eine ausgewählte Leistungsbilanz.

Sigmar Gabriel : Der SPD-Chef ist aus der Dreierkette der Regierung derzeit nicht wegzudenken. Selbst aus der Union wird Gabriel gelobt: Rente, EEG, als Wirtschaftsminister sei er kompromissbereit und Argumenten durchaus aufgeschlossen, heißt es. Ab zur Erholung in die Eistonne.

Horst Seehofer : Ja, mei. In den ersten Monaten war er der Rumpelfußballer der Koalition. Nun ist der bayerische Ministerpräsident kleinlauter geworden. Aber wie lange? An seinem Abgang wird im Freistaat bereits gearbeitet. Ob eine zusätzliche Trainingseinheit da noch hilft?

Angela Merkel: Unterwegs wie Manuel Neuer . Merkel schwebt noch mehr über den Dingen. Ukraine-Krise, EU-Postengeschacher, die Kanzlerin telefoniert und managt. In zwei Wochen wird Merkel 60 Jahre alt - Urlaub verdient.

Ursula von der Leyen: Aus "Röschen", so einst ihr Spitzname, wurde "Dröhnchen". Für die Strafraumverteidigung. Von der Leyen hat viel Rabatz gemacht: Dicke zur Bundeswehr, Kindergärten und Flachbildschirme. Zum Faulenzen bleibt ihr noch keine Zeit.

Heiko Maas: Der Justiz- und Verbraucherminister von der SPD ist der Podolski der Koalition. Er will's unbedingt wissen. Darum hat Maas in den letzten Monaten auch sehr viel angekündigt. Nur für die Umsetzung muss er noch kämpfen - siehe den Zoff um die Mietpreisbremse. Urlaubsreif ist Maas noch lange nicht.

Gerd Müller : Er geht dahin, wo es weh tut. Und keiner merkt es. Aber der CSU-Mann krempelt gerade die Entwicklungspolitik der Regierung wieder um, mehr zum Wohl hilfsbedürftiger Länder. Und nicht nur der deutschen Wirtschaft - wie sein Vorgänger, der neue Waffenlobbyist Dirk Niebel, es wollte. Müller hat einen guten Job gemacht. Zur Erholung ab in die Eistonne.

Frank-Walter Steinmeier: Der Außenminister ist viel unterwegs gewesen. Selbst frische Unterwäsche musste er zwischendurch von seinen Mitarbeitern kaufen lassen. Im Ukraine-Konflikt hat der SPD-Mann vermittelt, ist aber an die Grenzen der Diplomatie gestoßen. Er gibt aber nicht auf. Das ist das Wesen von Politik. Ferien in Südtirol hat er sich verdient.

Alexander Dobrindt : Es ist zwar jetzt Sommerpause, aber Dobrindt will freiwillig nicht runter vom Trainingsplatz. Stumpf wie Boateng arbeitet der Verkehrsminister von der CSU an seiner Maut-Strategie, mit der er seine Kritiker überfallartig überrumpeln will. Nur wann? Jetzt grätscht ihm auch noch die Kanzlerin von hinten rein. Wird ganz eng für ihn.

Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt: Opposition ist Mist, hat Franz Müntefering mal gesagt. Die beiden Grünen-Fraktionschefs lebten in den letzten Monaten diesen Satz geradezu vor. Jedenfalls sind sie noch weit davon entfernt, ihre Truppe schlagkräftig gegen die schwarz-gelbe Übermacht in Stellung zu bringen. Derzeit ist kein Platz für beide im Erholungsbecken.

Katja Kipping & Co: Bei den Linken geht es zu wie bei Ghana und Boateng, zerstritten und intrigant. Dabei hatte die Partei sich doch gefangen, ihr Spiel bedächtig, aber unspektakulär in den ersten Monaten nach der Bundestagswahl aufgezogen. Jetzt sind sie wieder gut für jede Menge Eigentore. Als Linksverteidiger müssen sie noch nachsitzen.

Peter Altmaier: Strippen-Peter ist der Ausputzer der Regierung. Der Kanzleramtsminister hat hinter den Kulissen das geregelt, was Merkel und ihr Team nicht geordnet bekommen haben. Das ist hohe Kunst, weil am Ergebnis orientiert - und weil man davon nur wenig mitbekommt. Altmaier ist der Lahm der Regierung, wenn auch deutlich dicker. Urlaub ok.

Zum Thema:

Auf einen BlickSeit dem 17. Dezember ist die große Koalition im Amt. Ein Überblick in Zahlen. Sechs, sechs, drei: Die CDU stellt neben Kanzlerin Angela Merkel sechs Bundesminister, die SPD ebenso und die CSU drei Minister. Sechs Augen: Statt Koalitions-Spitzentreffen beraten Angela Merkel Horst Seehofer und Sigmar Gabriel wichtige Dinge lieber allein. 130 Seiten umfasst der Koalitionsvertrag . 22 Kabinettssitzungen: Mittwochs um 9.30 Uhr tagt die Kanzlerin mit ihren Ministern, die SPD-Seite stimmt sich vorher separat ab. 44 Gesetzesentwürfe hat die Regierung bisher vorgelegt. Zweitschnellster Rücktritt: Hans-Peter Friedrich (CSU ) trat wegen der Edathy-Affäre nach knapp zwei Monaten als Agrarminister zurück. 160 Milliarden kostet das Rentenpaket bis 2030. Fünf Sitze fehlen CDU /CSU (311 Sitze) zur absoluten Mehrheit. Dank der Koalition mit der SPD gibt es eine Mehrheit von 504 Sitzen. 20 zu 80 Prozent: Die Opposition stellt ein Fünftel der Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Acht Minuten: Bei 60-minütigen Debatten reden Politiker von Union und SPD 42 Minuten, Grüne und Linke haben je acht Minuten Redezeit. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort