Breitscheidtplatz Keine Beweise für zweiten Berlin-Attentäter

Berlin · Bundesinnenminister Horst Seehofer hat einen Bericht zur Rolle von Amri-Freund Bilal Ben Ammar vorgelegt. Die Opposition ist mit den Auskünften unzufrieden.

 Im Dezember 2016 fuhr Anis Amri mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz.

Im Dezember 2016 fuhr Anis Amri mit einem Lkw in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es ist eine Geschichte zwischen Verschwörungstheorie und Skandal. Gab es beim Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt am 19. Dezember 2016 neben Anis Amri einen zweiten Täter? Und haben die Behörden diesen leichtfertig davonkommen lassen? Für Innenminister Horst Seehofer (CSU) waren die Enthüllungen so brisant, dass er sofort eine umfangreiche Überprüfung veranlasste. Gestern legte er erste Antworten vor.

Laut den von der Zeitschrift „Focus“ letzte Woche veröffentlichten Vorwürfen war der Amri-Kumpel Bilel Ben Ammar, ebenfalls Tunesier, den Behörden seit langem als Gefährder bekannt. Wie Amri habe man ihn jedoch nicht konsequent beschattet. Ammar, so die Zeitschrift, sei auf einem Video zu sehen, auf dem unmittelbar nach der für zwölf Menschen tödlichen Lkw-Fahrt jemand mit einem Kantholz auf Helfer einschlage, um Amri die Flucht zu ermöglichen. Und trotzdem hätten die Behörden sechs Wochen später seine Abschiebung nach Tunesien verfügt und vollzogen – weil Ammar ein Mitarbeiter des marokkanischen Geheimdienstes gewesen sei. Starker Tobak.

Nach dem 13-seitigen Bericht Seehofers bleibt von diesen Vorwürfen gesichert übrig, dass Ammar am Vorabend des Attentats mit Amri tatsächlich in einem Imbiss in Berlin-Wedding zu Abend aß. Dass beide dabei über den bevorstehenden Anschlag sprachen, ist möglich. Denn beide gehörten zur gleichen Clique aus Drogendealern und Islamisten. Eine direkte Tatbeteiligung war Ammar aber nicht nachzuweisen, so Seehofer. Am 3. Januar 2017 sei der Mann als Tatverdächtiger festgenommen worden, jedoch habe sich der Vorwurf dann nicht erhärtet.

Seehofer gab sich sehr kooperativ. Er gehe davon aus, dass der Untersuchungsausschuss die Angaben überprüfen und selbst Zeugen dazu laden werde, sagte der Minister so oft, dass es geradezu wie eine Aufforderung wirkte. Für die Opposition wäre die nicht nötig gewesen. „Den Bericht als dünn zu bezeichnen, wäre schon zu dick aufgetragen“, sagte die Grünen-Abgeordnete Irine Mihalic. Vor allem bleibe unklar, warum die Bundesregierung Ammar im Februar im Schnelldurchgang nach Tunesien abgeschoben habe. Mihalic kündigte an, dazu Anfang April die Leitungsebene des Innenministeriums als Zeugen vorzuladen.

Laut Seehofer steckt hinter der Abschiebung Ammars nichts Geheimnisvolles. Weil kein weiterer Haftgrund vorgelegen habe und Ammar als Gefährder eingestuft gewesen sei, habe die längst angeordnete Abschiebung vollzogen werden müssen. Von einer Mitarbeit Ammars im marokkanischen Geheimdienst wisse man nichts.

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