Benedikt XVI. bricht zu historischem Besuch auf

Kairo. "Noch nie hat ein Papst eine Reise in einer derart dramatischen Situation angetreten." Seit der wegen seiner Unterstützung für die Rebellen aus Syrien ausgewiesene Priester Paolo Dall'Oglio diese Bewunderung für den Mut Benedikts XVI. aussprach, haben sich die Turbulenzen in der arabischen Welt drastisch verschärft

Kairo. "Noch nie hat ein Papst eine Reise in einer derart dramatischen Situation angetreten." Seit der wegen seiner Unterstützung für die Rebellen aus Syrien ausgewiesene Priester Paolo Dall'Oglio diese Bewunderung für den Mut Benedikts XVI. aussprach, haben sich die Turbulenzen in der arabischen Welt drastisch verschärft. Wenn der Papst heute seinen dreitägigen Besuch im Libanon beginnt, erwartet Ägypten anti-amerikanische Massenproteste. Auch in anderen Ländern machen erboste Muslime ihrem Zorn über die im Internet kursierenden islamfeindlichen Filmausschnitte Luft.Angeheizt werden die Spannungen zwischen den im Orient lebenden Christen und radikalen Islamisten noch durch Gerüchte, dass der Produzent des Amateurfilms ein in den USA lebender ägyptischer Kopte sein könnte. Im Libanon, wo Christen etwa 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen, herrscht ein labiles Machtgleichgewicht, das allerdings durch den Konflikt im benachbarten Syrien höchst gefährdet ist. Sogar die Christen sind in Anhänger und erbitterte Gegner des syrischen Präsidenten Assad gespalten. Dem Papst aber wollen alle politischen Kräfte einen herzlichen Empfang bereiten, in der Hoffnung, er werde in seiner Botschaft das Zusammenleben der verschiedenen religiösen Gruppen stärken.

Selbst Hassan Nasrallah, Chef der von den USA als Terrororganisation geführten schiitischen Hisbollah, misst dem Papstbesuch "historische" Bedeutung bei. Die gemäßigtere schiitische "Amal" bezeichnet ihn gar als "Geschenk an den Libanon". Im Syrienkonflikt wird Benedikt XVI. nicht Partei ergreifen, heißt es aus Vatikankreisen. Sein zentrales Anliegen ist es, die schwer bedrängten Christen in der arabischen Welt zum Ausharren in der Urheimat des Christentums zu überreden. Denn ihre Zahlen schrumpfen dramatisch. Nach Schätzungen leben heute in der arabischen Welt 15 Millionen Christen, davon mehr als zehn Millionen allein in Ägypten und Syrien. Genaue Zahlen allerdings kennt niemand, da offizielle Statistiken meist niedrigere Angaben machen als die christlichen Gemeinschaften selbst. Ein jahrzehntelanger Schrumpfungsprozess hat sich durch den "Arabischen Frühling" vor eineinhalb Jahren noch einmal radikal beschleunigt. Wo er die Diktatoren hinwegfegte, in Tunesien und Ägypten, hat er radikalen Gruppen neuen Freiraum beschert und bedroht damit die christlichen Minderheiten noch mehr als zuvor. Mehr als 100 000 Kopten flüchteten allein in den ersten neun Monaten nach dem Sturz Präsident Mubaraks im März 2011, und der Exodus hält angesichts zunehmender Attacken auf christliche Ziele an.

Noch dramatischer entwickelte sich der Exodus im Irak. Seit dem Krieg gegen Saddam Hussein 2003 ist die Zahl der Christen von 1,4 Millionen auf höchstens 300 000 geschrumpft. Und die Attacken radikaler Islamisten auf diese Bevölkerungsgruppe halten unvermindert an. "Es ist, als ob uns die Nacht verschluckte", klagt ein irakischer Christ.

Syriens Christen fürchten nun ein ähnliches Schicksal. Sie haben sich bisher aus dem Kampf gegen das Regime, das sie traditionell geschützt hatte, herausgehalten. Nun geraten sie zunehmend zur Zielscheibe islamistischer Assad-Gegner. In Damaskus und Aleppo mussten sie deshalb bereits bewaffnete Milizen zum eigenen Schutz bilden.

Und dennoch gibt es Zeichen, die den Christen Hoffnung machen könnten: Islamwissenschafter der Al-Azhar-Universität in Kairo, der höchsten sunnitischen Lehranstalt, haben eine "Bill of Rights" von Rechten und Grundfreiheiten für die islamische Welt verfasst. Ziel des Manifests ist es auch, die Freiheit von Religion und Meinung in den Verfassungen aller arabischen Staaten zu verankern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort