„Bei vielen muss man Zweifel haben“

Homburg · Braucht Deutschland verpflichtende Tests für ältere Autofahrer? Darüber sprach SZ-Redaktionsmitglied Eva Lippold mit dem renommierten Homburger Verkehrsexperten und Juristen Hans-Jürgen Gebhardt (71).

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Herr Gebhardt, was halten Sie davon, ältere Autofahrer regelmäßig zu testen?
Gebhardt:
Ich bin dafür, dass medizinische Untersuchungen verpflichtend durchgeführt werden, wie das in den meisten europäischen Ländern ja bereits üblich ist. Es ist bei Medizinern völlig unumstrittenen, dass in einer bestimmten Altersgruppe die Leistungsfähigkeit so dramatisch abnimmt, dass man bei einem Gros Zweifel haben muss, ob sie verkehrsfähig sind. Deshalb muss man herausfinden, wer das ist, und die, die nicht mehr können, müssen aus dem Verkehr gezogen werden. Das heißt aber nicht, dass man ab einem bestimmten Alter keinen Führerschein mehr kriegen soll, es gibt 80-Jährige, die fahren besser als 50-Jährige. Und ich plädiere für Lösungen wie eine begrenzte Fahrerlaubnis: Es gibt ja Leute, die sind in ihrem gewohnten Umfeld sicher, und erst in ungewohnter Umgebung völlig hilflos. Solchen Leuten kann man durchaus den Führerschein lassen, aber dann eben begrenzt - etwa für Fahrten im Umkreis von zehn Kilometern.

Das Bundesverkehrsministerium will generell keine verpflichtenden Tests, Senioren seien im Vergleich zu Jüngeren keine unfallauffällige Gruppe…
Gebhardt:
Solche Statistiken sind völlig blödsinnig. Dass Jüngere viel häufiger in Unfälle verwickelt sind, als Ältere, ist völlig klar. Denn die Jüngeren fahren im Jahr vielleicht 30 000 Kilometer, die Älteren dagegen vielleicht nur 2000. Da ist die Wahrscheinlichkeit, an einem Unfall beteiligt zu sein, viel geringer. Auch kann ich nicht eine Gefahr mit der anderen aufwiegen. Jeder von uns kennt jemanden, bei dem er höchste Bedenken hat, ob der noch fahrfähig ist - dafür brauche ich keine Statistik. Und wenn wir schon bei Statistiken sind: Statistiken besagen, dass über 75-Jährige, wenn sie an Unfällen beteiligt sind, in zwei Dritteln der Fälle Schuld haben.

Warum sträubt sich die Politik dann so?
Gebhardt:
Gucken Sie sich die Altersstruktur der Wähler an, dann beantwortet sich die Haltung der Regierung von selbst. Das ist übrigens in allen Parteien gleich. Kaum ein Thema wird so emotional diskutiert - aus rationaler Sicht ist das aber völlig irrsinnig.

Gibt es konkrete Bestrebungen, verpflichtende Tests für ältere Autofahrer einzuführen?
Gebhardt:
Der Vorbereitungsausschuss für den Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar hat zum Thema Senioren im Straßenverkehr bereits im Januar einen Arbeitskreis eingesetzt, dem auch ich angehöre. Doch auch wenn es dort eine Empfehlung in Richtung verpflichtender Tests geben sollte, ist das noch nicht bindend für die Politik. Doch das Problem wird immer drängender, es gibt immer mehr ältere Autofahrer. Irgendwann kann auch die Politik die Augen nicht mehr davor verschließen.

Sind die Vorbehalte älterer Verkehrsteilnehmer vor einer Bevormundung durch solche Tests nicht berechtigt?
Gebhardt:
Es ist völlig verständlich, dass die Älteren davor Angst haben. Wenn die ihren Führerschein abgeben, werden sie dadurch manchmal völlig vom Leben ausgeschlossen, verlieren ihre Beweglichkeit, ihre Unabhängigkeit. Es geht nicht darum, den Leuten automatisch ab einem bestimmten Alter den Führerschein wegzunehmen, es geht nur darum, dass man die Leute, die abbauen, untersucht.

Wie alt sind Sie?
Gebhardt:
Ich habe diese Haltung zwar schon immer vertreten, aber mit 71 Jahren kann ich sie jetzt wohl umso glaubwürdiger propagieren. Ich gehe regelmäßig zum Arzt und lasse Herz, Gehör und Augen untersuchen - und mehr muss es ja gar nicht sein. Denn es ist ja so: Wenn ich weiß, dass ich nachtblind bin, aber nachts jemanden tot fahre, dann kann ich mich nicht rausreden, sondern dann werde ich wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.

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