Begeisterung und Enttäuschung nach dem Besuch des Papstes

Berlin/Saarbrücken. Der viertägige Besuch des Papstes hat in Deutschland Hunderttausende begeistert, bei vielen Katholiken aber Enttäuschung ausgelöst. Benedikt XVI. habe die Chance für eine Überwindung der Trennung von katholischer und evangelischer Kirche verspielt, kritisierte die Reformbewegung "Wir sind Kirche"

Berlin/Saarbrücken. Der viertägige Besuch des Papstes hat in Deutschland Hunderttausende begeistert, bei vielen Katholiken aber Enttäuschung ausgelöst. Benedikt XVI. habe die Chance für eine Überwindung der Trennung von katholischer und evangelischer Kirche verspielt, kritisierte die Reformbewegung "Wir sind Kirche". Besonders schmerzhaft sei, dass der Papst "keinerlei Hoffnung für neue pastorale Wege zum Beispiel für wiederverheiratete Geschiedene gemacht hat, für die sich zuletzt auch Erzbischof Robert Zollitsch eingesetzt hatte", hieß es in einer Mitteilung der Organisation. Für alle Christen sei es nun "Recht und Pflicht, nicht mehr auf weitere Schritte der Kirchenleitung zu hoffen, sondern dem eigenen Gewissen zu folgen" und sich etwa über das Verbot gemeinsamer Eucharistiefeiern mit Protestanten hinwegzusetzen. Auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte, er hätte sich mehr Aussagen zur Ökumene gewünscht. Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse, wie Kretschmann Mitglied im Zentralkomitee deutschen Katholiken, zeigte sich gegenüber er SZ trotz seines grundsätzlich positiven Urteils unzufrieden, weil er mehr konkrete Diskussions- und Gesprächsmöglichkeiten über die Ökumene erwartet hätte. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann wies im Gespräch mit der SZ aber darauf hin, dass der Papst den Reformator Martin Luther als Autorität hervorgehoben habe. Dies sei für einen Papst ungewöhnlich. Ackermann bejahte darüber hinaus aber die Frage, ob eine öffentliche Stellungnahme des Papstes zu den Missbrauchsfällen in der Kirche angebracht gewesen wäre. "Ich kann nicht beurteilen, warum er das nicht tut", sagte Ackermann.Der Papst sprach sich gestern zum Abschluss seines Deutschlandbesuches deutlich gegen eine Modernisierung der katholischen Kirche aus. Sie müsse mehr auf Distanz zur Gesellschaft gehen, forderte der 84-Jährige in einer Rede im Freiburger Konzerthaus. Überraschend forderte Benedikt XVI. die katholische Kirche in Deutschland auf, auf staatliche Privilegien zu verzichten, um "wirklich weltoffen" zu sein. Konkreter wurde er nicht. Zu den Privilegien gehört hierzulande etwa die Einziehung der Kirchensteuer. und Interview, Seite A 4: Meinung red/dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort